ZPO § 121 Abs. 2
Leitsatz
Im Mahnverfahren ist die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten in der Regel selbst dann nicht geboten, wenn der Gegner anwaltlich vertreten ist.
BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZB 175/07
Sachverhalt
Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des M. Er hat für die beabsichtigte Geltendmachung einer Forderung des Schuldners im Mahnverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Das AG hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Verfahren bewilligt, den weitergehenden Antrag auf Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten jedoch abgelehnt. Das LG hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren auf Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten weiter. Diese hatte jedoch keinen Erfolg.
Aus den Gründen
1. Das LG hat ausgeführt, im Hinblick auf den fehlenden Anwaltszwang im Mahnverfahren sei ein Verfahrensbevollmächtigter nur dann beizuordnen, wenn die Vertretung erforderlich erscheine. Im Mahnverfahren sei dies regelmäßig nicht der Fall. Der geltend gemachte Anspruch müsse lediglich beziffert und mit einigen Stichworten gegenständlich individualisiert werden. Die Antragstellung sei durch den strengen Formblattzwang vorgegeben. Im Übrigen werde die Ausfüllung durch aufgedruckte Belehrungen erleichtert. Hinzu komme, dass der Antragsteller als Rechtsanwalt umso leichter in der Lage sein dürfte, den Mahnbescheidsantrag ohne fremde Hilfe auszufüllen.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit komme eine Anwaltsbeiordnung nicht in Betracht. Das Mahnverfahren weise keine widerstreitenden Anträge auf. Zum Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides werde der Antragsgegner nicht gehört. Nach Erlass eines Mahnbescheides werde bei Eingang eines Widerspruchs das Verfahren auf entsprechende Antragstellung an das zuständige Streitgericht abgegeben oder es werde auf Antrag des Antragstellers ohne weitere Anhörung des Antragsgegners ein Vollstreckungsbescheid erlassen.
2. Nach ganz überwiegender Ansicht in Rspr. und Schrifttum ist im Mahnverfahren regelmäßig die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht erforderlich (OLG München MDR 1999, 301; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16.1.2008–7 Ta 251/07; LG Stuttgart Rpfleger 1994, 170; Zöller/Geimer, ZPO 28. Aufl. § 121 Rn 5; Völker/Zempel in Prütting/Gehrlein, ZPO § 121 Rn 7; HK-ZPO/Pukall, 3. Aufl. § 121 Rn 8; Musielak/Fischer-ZPO, 7. Aufl. § 121 Rn 12; MünchKomm-ZPO/Motzer, 3. Aufl. § 121 Rn 13; Wielgoß NJW 1991, 2070, 2071; a.A. LG Bonn, Beschl. v. 22.9.2005–6 T 288/05). Zur Begründung wird ausgeführt, an der Erforderlichkeit fehle es, weil im Hinblick auf den nach § 703c Abs. 2 ZPO maßgebenden strengen Formblattzwang die Antragsstellung regelmäßig keine Schwierigkeiten aufweise (Wielgoß a.a.O.).
3. Diese Auffassung ist zutreffend.
a) Nach § 121 Abs. 2, 1. Fall ZPO ist im Verfahren ohne Anwaltszwang ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Partei dies beantragt und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, d.h. wenn Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürchtung geben, der Hilfsbedürftige werde nach seinen persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sein, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen in mündlicher oder schriftlicher Form zu veranlassen. Die Notwendigkeit der Beiordnung des Rechtsanwalts hängt danach einerseits von den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen gerade des Antragstellers und andererseits von der Schwierigkeit der im konkreten Fall zu bewältigenden Rechtsmaterie ab (BGH, Beschl. v. 18.7.2003 – IXa ZB 124/03, NJW 2003, 3136; v. 10.12.2009 – VII ZB 31/09, Rn 9 [= AGS 2010, 243]).
Für das Mahnverfahren ist die Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts regelmäßig zu verneinen. Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids erfordert im Hinblick auf die Formalisierung des Antragsverfahrens keine besonderen Rechtskenntnisse oder geschäftlichen Erfahrungen (vgl. OLG Nürnberg MDR 1997, 1068 [= AGS 1998, 46]). Auch eine ungewandte Partei wird deshalb regelmäßig in der Lage sein, sich dieses Verfahren ohne anwaltliche Beratung nutzbar zu machen (OLG München a.a.O.).
Besondere Umstände, etwa wenn die Partei in persönlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten völlig ungewandt ist (vgl. Wielgoß a.a.O.), die eine anderweite Beurteilung rechtfertigen könnten, hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt. Angesichts der Tätigkeit des Antragsstellers als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter ist hierfür ohnehin kein Raum.
b) Der Umstand, dass sich der Anspruchsgegner durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt, ist gleichfalls nicht geeignet, die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten zu begründen.
Allerdings ist nach § 121 Abs. 2, 2. Fall ZPO ein Anwalt beizuordnen, wenn der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten wird. Diese Bestimmung, die Ausdruck des auf Art. 3 Abs. 1 GG gestützten Grundsatzes...