RVG § 15; ZPO §§ 308, 91a
Leitsatz
- Vertritt der Anwalt in demselben Prozess den Kläger und den Drittwiderbeklagten, so liegt nur eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor.
- Ist der Rechtsstreit in erster Instanz übereinstimmend für erledigt erklärt worden und hat das erstinstanzliche Gericht im Urteil insoweit über die Kosten nach § 91a ZPO entschieden, so kann das Rechtsmittelgericht auch diesen Teil der Kostenentscheidung von Amts wegen abändern, selbst wenn die Kostenentscheidung vom Kostenschuldner nicht angegriffen worden ist.
LG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.2010–22 S 229/09
Sachverhalt
Die Klägerin zu 1) hatte im Vorprozess Klage auf Schadensersatz gegen ein Kreditinstitut erhoben. Sie hatte sich darauf berufen, dass sie und ihr Ehemann bei einer Anlage falsch beraten worden seien. Das verklagte Kreditinstitut erhob daraufhin eine (isolierte) Drittwiderklage gegen den Kläger zu 2) (Ehemann der Klägerin) mit der sie beantragte, festzustellen, dass auch ihm keine Schadensersatzansprüche zustehen. Der Kläger zu 2) mandatierte ebenfalls den von der Klägerin beauftragten Rechtsanwalt L. mit seiner Vertretung.
Nach Abschluss des Verfahrens rechnete der Anwalt gegenüber dem Rechtsschutzversicherer der Kläger ab. Dabei verlangte er aus den jeweiligen Werten von Klage und Drittwiderklage jeweils gesonderte Gebühren. Der Rechtsschutzversicherer zahlte die Gebühren nur einmal. Daraufhin erhoben die Kläger Klage, mit der sie Freistellung von der restlichen Gebührenforderung des Anwalts verlangten.
Nachdem der Anwalt der Kläger im Verlauf des Rechtsstreits eine Neuberechnung seiner Vergütung vorlegte, zahlte der beklagte Rechtsschutzversicherer noch einen weiteren Betrag auf die Vergütung des Anwalts. Die Parteien erklärten daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Die verbliebene Klage wurde abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits verteilte das Gericht. Soweit es die Klage abgewiesen hat, legte es den Klägern die Kosten des Verfahrens auf. Soweit sich der Rechtsstreit erledigt hatte, wurden die Kosten dagegen nach § 91a ZPO der Beklagten auferlegt.
Gegen die Abweisung ihrer Klage haben die Kläger Berufung eingelegt. Sie begründeten dies damit, die Gebührennote ihres Prozessvertreters sei im Hinblick auf die Abrechnung der Drittwiderklage nicht zu beanstanden. Bei Klage und Drittwiderklage handele sich nicht um eine Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 3 RVG. Dies hänge davon ab, ob derselbe Auftraggeber tätig geworden oder bei unterschiedlichen Auftraggebern der gleiche Auftrag erteilt worden sei, was vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen sei. Denn die Klägerin zu 1) habe alleine den Klageauftrag erteilt, während der Kläger zu 2) nach Erhebung der nur gegen ihn gerichteten Drittwiderklage den Widerklageabweisungsauftrag erteilt habe.
Die Beklagte hat dagegen kein Rechtsmittel gegen die ihr auferlegten Kosten eingelegt.
Das Gericht hat die Berufung zurückgewiesen. Gleichzeitig hat es die Kostenentscheidung von Amts wegen abgeändert und die erstinstanzlichen Kosten insgesamt den Klägern auferlegt, auch soweit sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hatte.
Aus den Gründen
Das AG hat zu Recht entschieden, dass es sich bei Klage und Drittwiderklage um eine Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG handelt, so dass der im Vorprozess beauftragte Rechtsanwalt die angefallenen Gebühren nur einmal verlangen kann. Denn bei gerichtlichen Verfahren handelt es sich in der Regel um eine Angelegenheit, auch wenn mehrere Personen als Kläger oder Beklagte beteiligt sind, oder wenn die von den Klägern oder gegen die Beklagten erhobenen Ansprüche nicht gleichartig sind (Hartmann, KostG, 38. Aufl., 2008, § 15 RVG, Rn 16). Dies gilt auch dann, wenn ein Prozessbevollmächtigter gleichzeitig den Kläger und den Drittwiderbeklagten vertritt (OLG München, Beschl. v. 27.9.1994–11 W 2327/94). Entscheidend ist nicht die Gleichartigkeit der Ansprüche, sondern es kommt darauf an, ob die Ansprüche Gegenstand eines Prozesses sind. Dies war vorliegend der Fall.
Aus diesem Grunde ist es dem früheren Prozessvertreter der Kläger verwehrt, für die Vertretung des Klägers zu 2) hinsichtlich der Drittwiderklage gesondert die Verfahrens- und Terminsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer zu verlangen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Kläger gem. den §§ 91, 91a, 100 Abs. 1 ZPO allerdings vollständig zu tragen, auch sofern der Rechtsstreit vor dem AG übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.
Eine Änderung der Kostenentscheidung ist gem. § 308 ZPO – auch zu Lasten der Kläger als Rechtsmittelführer – möglich, da die Kostenentscheidung unter Ausschluss des Verschlechterungsverbots von Amts wegen insgesamt zu überprüfen ist (Zöller-Gummer/Heßler, 27. Aufl., 2009, § 524, Rn 35).
Rechtsanwalt L. hat nicht i.S.v. § 10 RVG ordnungsgemäß abgerechnet. Da der Rechtsanwalt – wenn auch zu Unrecht – zwei Angelegenheiten abgerechnet hat, hätte gem. § 7 Abs. 2 RVG erkennbar sein müssen, welcher Mandant wegen welcher Gebühren in Anspruch genommen wird. Außerdem ist die ...