BGB §§ 387, 388 ZPO § 485
Leitsatz
Die Aufrechnung mit einem materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen der Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens ist ungeachtet der Möglichkeit wirksam, dass in einem späteren Hauptsacheverfahren über die Prozesskosten entschieden wird.
BGH, Urt. v. 11.2.2010 – VII ZR 153/08
1 Sachverhalt
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1) wegen mangelhafter Ausführung von Bauarbeiten an einem Wohn- und Geschäftshaus nebst Tiefgarage und gegen den Beklagten zu 2) wegen mangelhafter Objektüberwachung geltend.
Die Arbeiten wurden bis Sommer 2001 fertig gestellt. Von der Schlussrechnung der Beklagten zu 1) behielt die Klägerin 16.962,86 EUR als Sicherheit ein.
Wegen Wassereintritts in die Tiefgarage und Rissebildung am Wohngebäude führte die Klägerin 2004 ein selbstständiges Beweisverfahren durch. Mit dort entstandenen Kosten rechnete die Klägerin gegen den restlichen Werklohnanspruch der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 31.5.2006 auf. Die Beklagte zu 1) hat die Ursache des Feuchtigkeitseintritts, eine undichte Randfuge zwischen Rampe und den seitlichen Wänden oberhalb des Tores zur Tiefgarage, nicht beseitigt.
Der am 26.7.2006 erhobenen Klage auf Zahlung von 28.773,44 EUR Schadensersatz und Feststellung weitergehender Schadensersatzverpflichtung hat das LG teilweise stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagten unter anderem gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 27.700,00 EUR verurteilt und die Ersatzpflicht beider Beklagten für darüber hinausgehende Schäden an der Tiefgaragenabfahrt festgestellt. In den Gründen hat es die Revision gegen das Urteil zugelassen, soweit es um die Zulässigkeit "der vorprozessualen Aufrechnung mit einem materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens geht, dem später ein Hauptsacheverfahren folgt". Diese klägerische Aufrechnung hat es i.H.v. 13.152,26 EUR durchgreifen lassen.
Gegen das Urteil hat die Beklagte zu 1) Revision eingelegt, mit der sie ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge vollumfänglich weiter verfolgt. Der Beklagte zu 2) hat vorsorglich für den Fall, dass die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht nur beschränkt auf die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung erfolgt sei, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die der Senat mit Beschl. v. 10.9.2009 zurückgewiesen hat, und im Übrigen Revision eingelegt.
2 Aus den Gründen
Die Revisionen der Beklagten sind nicht begründet.
I. Das Berufungsgericht hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung –ausgeführt, dass die Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht durch die Aufrechnung der Beklagten zu 1) mit ihrer Restwerklohnforderung erloschen seien, weil die Klägerin zuvor ihrerseits wirksam gegen die Werklohnforderung vorprozessual die Aufrechnung unter anderem mit den Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens i.H.v. 13.152,26 EUR erklärt habe. In Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO falle dabei nicht ins Gewicht, dass die Klägerin im Ergebnis nicht mit allen im selbstständigen Beweisverfahren geltend gemachten Mängel durchgedrungen sei, weil es sich insoweit lediglich um minimale Mängel und geringfügige Kosten für deren Beseitigung handele.
Da der materiellrechtliche und der prozessuale Kostenerstattungsanspruch grundsätzlich nebeneinander beständen, stehe einer Geltendmachung im Wege der Aufrechnung nichts im Wege. Zwar könne eine isolierte Klage auf Kostenerstattung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sein, weil das Kostenfestsetzungsverfahren der einfachere Weg zum Titel sei und die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens solche des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens seien. Auch die Einheitlichkeit der Kostenentscheidung könne eine selbstständige Geltendmachung durch Klage oder Aufrechnung im anhängigen Hauptsacheverfahren verbieten. Das gelte aber nicht für die vorprozessual erklärte Aufrechnung. Ihr Ausschluss sei dogmatisch kaum zu begründen und führe zudem zu unbilligen Ergebnissen angesichts möglicher Quotierung bei der Kostenentscheidung in der Hauptsache, an der die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens teilnähmen. Zudem sei im Zeitpunkt vorprozessualer Aufrechnung oft noch nicht absehbar, ob es zum Hauptsacheverfahren komme.
II. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Klägerin hat gegen die Werklohnforderung der Beklagten zu 1) wirksam mit dem ihr zustehenden materiellrechtlichen Anspruch auf Erstattung der im selbstständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten aufgerechnet. Mit der Aufrechnung ist die Werklohnforderung der Beklagten zu 1) erloschen, § 389 BGB, so dass deren spätere im Prozess erklärte Aufrechnung gegen den Schadensersatzanspruch der Klägerin ins Leere ging (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.1971 – VII ZR 224/69, BGHZ 56, 312, 314 f.; Urt. v. 10.10.1966 – VII ZR 30/65, NJW 1967, 34).
1. Das Berufungsgericht hat einen fälligen materiellrechtlichen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfol...