BerHG § 2 Abs. 2
Leitsatz
Zur Frage, wann von einer einheitlichen Angelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 2 BerHG auszugehen ist, wenn der rechtsuchende Bürger den Rechtsanwalt mit der Abwehr mehrerer Abmahnungen wegen Downloads aus dem Internet beauftragt.
AG Halle (Saale), Beschl. v. 20.5.2011 – 103 II 5446/09
1 Sachverhalt
Unter dem 4.9.2009 erhielt der rechtsuchende Bürger von einer Anwaltskanzlei ein Abmahnschreiben wegen einer Urheberrechtsverletzung im Internet. Am 14.9.2009 suchte er den antragstellenden Rechtsanwalt auf, der ihm erläuterte, dass die Sache über Beratungshilfe abgerechnet werde könne, dass der rechtsuchende Bürger aber noch Unterlagen vorbeibringen müsse, um den Antrag auf Beratungshilfe stellen zu können. Mit Schreiben vom selben Tag fertigte der antragstellende Rechtsanwalt ein Schreiben an den gegnerischen Anwalt, in welchem er die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung zurückwies. Der rechtsuchende Bürger übergab in der Folgezeit die Unterlagen für die Stellung eines Antrags auf Beratungshilfe nicht dem antragstellenden Rechtsanwalt, sondern beantragte am 15.9.2009 selbst bei der Rechtsantragsstelle des AG Halle (Saale) die Erteilung eines Beratungshilfescheins für die Angelegenheit "Urheberrechtsverletzung (Internet)". Der beantragte Schein wurde ihm auch erteilt.
Unter dem 16.9.2009 erhielt der rechtsuchende Bürger von derselben Anwaltskanzlei wie beim vorigen Mal ein weiteres Abmahnschreiben wegen einer weiteren Urheberrechtsverletzung im Internet. Der rechtsuchende Bürger beantragte zunächst am 6.10.2009 bei der Rechtsantragsstelle des Gerichts einen weiteren Beratungshilfeschein, der ihm nicht erteilt wurde, wobei eine schriftliche Entscheidung des Rechtspflegers allerdings nicht zur Akte gelangt ist. Der antragstellende Rechtsanwalt wies darauf mit Schreiben vom 6.10.2009 an den gegnerischen Rechtsanwalt auch die weitere Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung zurück.
Der antragstellende Rechtsanwalt reichte daraufhin zwei undatierte, bei Gericht jeweils am 31.1.2011 eingegangene Vergütungsfestsetzungsanträge ein, in welchen er jeweils die Festsetzung einer Geschäftsgebühr von 70,00 EUR gem. Nr. 2503 VV nebst Dokumentenpauschale in Höhe von 14,00 EUR und Umsatzsteuer in Höhe von 15,96 EUR, im Ergebnis mithin jeweils 99,96 EUR beantragte.
Der Rechtspfleger wies zunächst beide Vergütungsfestsetzungsanträge zurück, weil der Rechtsanwalt schon tätig geworden sei, bevor der Antrag auf Beratungshilfe gestellt wurde. Der "Beschwerde" des antragstellenden Rechtsanwalts half der Rechtspfleger insoweit ab, als er unter dem 4.3.2011 Gebühren und Auslagen im Rahmen der Beratungshilfe in Höhe von 99,96 EUR festsetzte. Im Übrigen half er der "Beschwerde" nicht ab, da es sich bei beiden dem Rechtsanwalt erteilten Aufträgen um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 2 BerHG gehandelt habe.
Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Das Gericht legt die "Beschwerde" so aus, dass nicht Erinnerung gem. § 6 Abs. 2 BerHG gegen die Versagung eines zweiten Beratungshilfescheins namens und in Vollmacht des rechtsuchenden Bürgers eingelegt werden soll. Vielmehr ist die Erinnerung so auszulegen, dass der Rechtsanwalt im eigenen Namen Erinnerung gegen die teilweise Zurückweisung seines Vergütungsfestsetzungsantrages einlegt.
Die Erinnerung ist zulässig gem. § 56 Abs. 1 RVG i.V.m. §§ 11 Abs. 2, 24a RPflG. Über die Erinnerung entscheidet nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter (Beschl. d. Gerichts v. 4.1.2011 – 103 II 4688/10 [= AGS 2011, 84]).
Die Erinnerung ist nicht begründet. Bei beiden Aufträgen, die dem antragstellenden Rechtsanwalt erteilt worden sind, handelt es sich nur um eine Angelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 2 BerHG, sodass auch nur eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV nebst Dokumentenpauschale und Umsatzsteuer festgesetzt werden kann.
Im vorliegenden Fall betreffen beide Aufträge Abmahnungen, die der rechtsuchende Bürger wegen Downloads aus dem Internet bekommen hat. Es geht also in beiden Fällen um die gleiche Rechtsmaterie. Beide Abmahnungen erfolgten in zeitlicher Nähe zueinander. Daher ist auch dann von einer einheitlichen Angelegenheit auszugehen, wenn in beiden Verfahren unterschiedliche Rechtsprobleme zu beantworten sind und wenn der Rechtsanwalt mehrere Schreiben fertigen muss. Unerheblich ist es, ob die Abmahnungen von zwei verschiedenen Rechtsanwälten bzw. zwei verschiedenen Rechteinhabern stammen. In derartigen Fällen ist vom Vorliegen von nur einer Angelegenheit auszugehen (Beschl. d. Gerichts vom 21.1.2011 – 103 II 6668/10).
Der BGH hat mit Urt. v. 19.10 2010 (VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 ff. [= AGS 2010, 590]) klargestellt, dass von nur einer Angelegenheit auch dann gesprochen werden kann, wenn der Rechtsanwalt verschiedene Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat bzw. verschiedene voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen hat. Unter Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll, wobei eine Angelegenheit ...