RVG VV Nr. 2300
Leitsatz
- Wird eine und dieselbe Gebühr aufgrund zeitlich aufeinander folgender Kostengrundentscheidungen mehrfach festgesetzt und auch bezahlt, kann der Kostenerstattungsschuldner die Überzahlung trotz zwischenzeitlich eingetretener Rechtskraft der Festsetzungsbeschlüsse zurückverlangen. Ihm steht insoweit ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB wegen der Verletzung des Prozessrechtsverhältnisses zu. Aus dieser Sonderverbindung resultiert die Verpflichtung, im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähige Gebühren nicht doppelt in Ansatz zu bringen.
- Die für ein Abschlussschreiben (Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung nach Erlass einer einstweiligen Verfügung) entstehende Geschäftsgebühr ist im Allgemeinen auf der Grundlage von Nr. 2300 VV zu berechnen.
- Im Einzelfall kann die Geschäftsgebühr nur in Höhe des geringeren Gebührensatzes der Nr. 2302 VV i.H.v. 0,3 für eine einfaches Schreiben angemessen sein.
BGH, Urt. v. 4.2.2010 – I ZR 30/08
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Aufrechnung der Beklagten mit einem Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für eine gegenüber der Klägerin ausgesprochene wettbewerbsrechtliche Abmahnung.
Die Beklagte ließ die Klägerin, die ebenso wie sie selbst Arzneimittel herstellt und vertreibt, mit Schreiben ihrer in den Vorinstanzen tätigen Prozessbevollmächtigten v. 27.11.2006 wegen wettbewerbswidriger Aussagen in einer von der Klägerin herausgegebenen Patientenbroschüre abmahnen. Da die Klägerin hierauf nicht reagierte, erwirkte die Beklagte beim LG eine einstweilige Verfügung, mit der der Klägerin untersagt wurde, das Buch "Rat & Hilfe Brustkrebs" bei Personen, die nicht den Fachkreisen i.S.v. § 10 Abs. 1 HWG angehören, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Nach Rücknahme ihres gegen die Verbotsverfügung eingelegten Widerspruchs in der mündlichen Verhandlung des LG am 18.1.2007 gab die Klägerin die von der Beklagten mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20.2.2007 verlangte Abschlusserklärung am 7.3.2007 ab.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.12.2006 wurden die von der Klägerin an die Beklagte im Verfahren der einstweiligen Verfügung bis zur mündlichen Verhandlung zu erstattenden außergerichtlichen Kosten antragsgemäß auf 2.701,60 EUR festgesetzt. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 18.1.2007 wurden die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden außergerichtlichen Kosten mit weiterem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6.2.2007 antragsgemäß auf 5.150,00 EUR festgesetzt. In diesem Betrag war nochmals eine Verfahrensgebühr i.H.v. 2.667,60 EUR enthalten, die bereits Gegenstand des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 18.12.2006 war. Die Klägerin glich die festgesetzten Kostenbeträge vollständig aus und leistete damit eine Überzahlung von insgesamt 2.762,44 EUR (2.667,60 EUR zuzüglich Zinsen) an die Beklagte. Gegenüber dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin erklärte die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 7.3.2007 die Aufrechnung mit den von ihr für das Abmahnschreiben und die Anforderung der Abschlusserklärung geltend gemachten Rechtsanwaltskosten, die sie auf 1.353,80 EUR für das Abmahnschreiben sowie 2.687,60 EUR für die Anforderung der Abschlusserklärung bezifferte, wobei den Kostenberechnungen jeweils der vom LG Hamburg im Verfügungsverfahren festgesetzte Streitwert von 250.000,00 EUR zugrunde gelegt wurde.
Die Klägerin hat die Aufrechnung mit der Begründung zurückgewiesen, die Beklagte hätte, da sie über eine eigene Rechtsabteilung verfüge, ihre Interessen in der einfach gelagerten wettbewerbsrechtlichen Sache selbst wahrnehmen können, so dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich gewesen sei.
Sie hat die Beklagte daher auf Zahlung von 2.762,44 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, die Beauftragung eines Rechtsanwalts sei geboten gewesen, da sie nur über eine kleine Rechtsabteilung mit lediglich einem für Wettbewerbsangelegenheiten zuständigen Mitarbeiter verfüge.
Das Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug erfolglosen Klage i.H.v. 773,04 EUR nebst Zinsen stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt, mit der sie ihr Klagebegehren – soweit das Berufungsgericht die in erster Instanz erfolgte Klageabweisung bestätigt hat – weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Anschlussrevision der Klägerin zurückzuweisen.
2 Aus den Gründen
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Zahlungsanspruch i.H.v. 773,04 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB zuerkannt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen, weil die Beklagte mit einem Gegenanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG i.H.v. 1.989,40 EUR wirksam aufgerechnet habe. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Der ursprünglich i.H.v. 2.762,44 EUR bestehende Zahlungsanspruch der Klä...