BGB § 628 RVG VV Nr. 3100, 3104
Leitsatz
Gibt der Rechtsanwalt Veranlassung zur außerordentlichen Kündigung des Mandats, so ist er wegen Interessenfortfalls verpflichtet, Gebühren zurückzuzahlen, die infolge der Beauftragung eines neuen Anwalts erneut entstehen. Voraussetzung ist jedoch, dass die entsprechenden Gebühren bei dem neuen Anwalt im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung tatsächlich auch schon angefallen sind.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.5.2011 – 16 U 2/10
1 Sachverhalt
Der frühere Mandant hatte nach berechtigter fristloser Kündigung des Anwaltsvertrages von dem vorherigen Anwalt die Rückzahlung der von ihm bereits geleisteten Verfahrens- und Terminsgebühr für ein Scheidungsverfahren verlangt. Der beklagte Anwalt hat u.a. eingewandt, bei dem neuen Anwalt (Rechtsanwalt T.) sei eine Terminsgebühr noch nicht angefallen, da es bislang noch nicht zu einem Termin gekommen sei. Es stehe auch nicht fest, dass in dem Scheidungsverfahren noch ein Termin stattfinde. Es bestehe durchaus die Möglichkeit, dass sich das Scheidungsverfahren auch ohne Termin erledige. Der Kläger hatte demgegenüber noch eingewandt, die Terminsgebühr sei ihm aber bereits in Rechnung gestellt und auch von ihm bezahlt worden. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Zutreffend hat das LG auch die Honoraransprüche der Beklagten aus dem Scheidungsverfahren berechnet.
Hinsichtlich der Verfahrensgebühr liegt ein Interessenwegfall vor, da diese durch die Beauftragung von Rechtsanwalt T. im selben Umfang wie bei der Beklagten erneut angefallen ist. Die Berechnung ist aus dem gerichtlich festgesetzten Streitwert erfolgt. Ob die Gebühr gezahlt wurde, ist – wie auch die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel nicht bestreitet – für den Interessenwegfall ohne Belang. Gleiches gilt hinsichtlich der Postentgeltpauschale.
Soweit der Kläger mit seiner Anschlussberufung rügt, dass das LG keinen Interessenwegfall hinsichtlich der bei der Beklagten entstandenen Terminsgebühr angenommen hat, ist dieser Angriff gegen die erstinstanzliche Entscheidung erfolglos. Der Kläger trägt hierzu vor, der Interessenwegfall liege bereits mit der Inrechnungstellung seines Vorschusses für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins durch den neuen Prozessbevollmächtigten vor. Dabei verkennt der Kläger jedoch, dass allein die Inrechnungstellung nicht ausreichend sein kann. Maßgeblich ist, ob die Gebühr angefallen ist. Unstreitig hat im Scheidungsverfahren nach der Beauftragung von Rechtsanwalt T. kein neuer Termin vor dem AG stattgefunden. Dem LG ist recht zu geben, dass damit noch nicht beurteilt werden kann, ob die in Frage stehende Gebühr überhaupt entstehen wird. Damit kann die Terminsgebühr jedoch derzeit noch nicht verlangt werden.
3 Anmerkung
Das OLG folgt der Vorinstanz, wonach ein Interessenwegfall nur und erst dann vorliegt, wenn die Gebühr tatsächlich auch beim neuen Anwalt angefallen ist. So ist es immerhin möglich, dass sich das Scheidungsverfahren etwa durch Tod eines Ehegatten ohne mündliche Verhandlung erledigt, die Eheleute sich aussöhnen oder der Antrag aus anderen Gründen vor einem Termin zurückgenommen wird.
Dass die Terminsgebühr dem Kläger von dem neuen Anwalt bereits in Rechnung gestellt worden ist – also als Vorschuss nach § 9 RVG –, reicht nicht aus. Entscheidend ist, ob die Gebühr angefallen ist. Da hier aber unstreitig noch kein neuer Termin stattgefunden hat, war insoweit auch keine neue Terminsgebühr entstanden, so dass die Klage insoweit als – zumindest derzeit – unbegründet abzuweisen war.
Beim Interessenwegfall kann nur auf solche Gebühren abgestellt werden, die tatsächlich erneut angefallen sind. Selbst wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Gebühr erneut anfallen wird, reicht dies nicht aus, da der weitere Prozessverlauf nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden kann. Der frühere Auftraggeber ist auch nicht rechtlos. Kommt es später zu dem Termin und muss die Terminsgebühr dann ein zweites Mal gezahlt werden, kann er diese immer noch geltend machen.
Der Auftraggeber hätte hier sogar die Möglichkeit gehabt, durch einen Feststellungs- oder Zwischenfeststellungsantrag bereits die Grundlage dafür zu legen, dass diese Gebühr von dem beklagten Anwalt zurückzuzahlen ist, sobald sie ein zweites Mal anfällt. Dann wäre jedenfalls über den Anspruchsgrund rechtskräftig entschieden worden.
Norbert Schneider