SGG § 197 Abs. 2
Leitsatz
- Zuständig für die Rubrumsberichtigung ist der Vorsitzende des Spruchkörpers, der die Entscheidung erlassen hat, und nicht die für Kostenerinnerungen zuständige Sozialgerichtskammer. Dieser wird daher die rechtlichen Voraussetzungen für eine Rubrumsberichtigung zu prüfen haben.
- Beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren auf die Abfassung einer Klageschrift sowie weiterer Stellungnahmen, weist die Tätigkeit keine besondere Schwierigkeit auf. Geht die wirtschaftliche Bedeutung für den Mandanten mit unterdurchschnittlichen Vermögensverhältnissen einher, tritt eine Kompensation ein, die diese quasi neutralisiert.
SG Bremen, Beschl. v. 15.6.2010 – S 4 E 443/10
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Kostenfestsetzungsverfahren.
Die Erinnerungsführerin ließ durch ihren Rechtsanwalt Klage beim SG erheben, mit der sie sich gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid i.H.v. 1.067,44 EUR wandte. Mit Schreiben vom 9.1.2008 meldete sich der jetzige Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin zur Gerichtsakte. Mit weiterem Schreiben vom 18.1.2008 beantragte der Prozessbevollmächtigte, die drei Kinder der Erinnerungsführerin in das Rubrum aufzunehmen, was jedoch in der Folgezeit nicht geschah. Im Erörterungstermin half die Erinnerungsgegnerin dem Klagbegehren ab und erklärte sich zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach bereit. Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte Kostenfestsetzung wie folgt:
Verfahrensgebühr gem. Nrn. 3102, 1008 VV |
475,00 EUR |
Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV |
200,00 EUR |
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer (19 %) gem. Nr. 7008 VV |
132,05 EUR |
Summe |
827,05 EUR |
Im Kostenfestsetzungsbeschluss setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. insgesamt 345,10 EUR fest. Zur Begründung führte er aus, dass die Kriterien für die Bemessung der Verfahrensgebühr insgesamt als unterdurchschnittlich zu bewerten seien. Eine Erhöhung der Verfahrensgebühr scheide aus, weil das Klageverfahren bis zu seiner Beendigung lediglich von der Erinnerungsführerin geführt worden sei.
Gegen den Festsetzungsbeschluss hat die Erinnerungsführerin Erinnerung eingelegt. Darin wendet sie sich gegen die Absetzung von der Verfahrensgebühr.
Die Erinnerung hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Die Erinnerungsführerin hat derzeit keinen Anspruch auf die geltend gemachten Erhöhungsgebühren nach Nr. 1008 VV. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist bei der Entscheidung über den gestellten Kostenfestsetzungsantrag an die Kostengrundentscheidung des erkennenden Gerichts gebunden. Hier bezog sich das Kostenanerkenntnis im Erörterungstermin nur auf die im Aktivrubrum geführte Erinnerungsführerin, nicht jedoch auf deren minderjährige Kinder.
Dieses Ergebnis ist nicht unbillig, denn eine Geltendmachung der Erhöhungsgebühren kommt nach einer etwaigen Berichtigung des Aktivrubrums grundsätzlich noch in Betracht. Eine Rubrumsberichtigung ist möglich, wenn durch einen Fehler des Gerichts das Rubrum des Urteils von dem erkennbaren Inhalt der Klageschrift abweicht (Keller, in: Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 138 Rn 3b). Zuständig für die Rubrumsberichtigung ist der Vorsitzende des Spruchkörpers, der die Entscheidung erlassen hat (Keller, a.a.O., Rn 4a), hier also der Vorsitzende der 1. Sozialgerichtskammer und nicht die für Kostenerinnerungen zuständige 4. Sozialgerichtskammer. Dieser wird daher die rechtlichen Voraussetzungen für eine Rubrumsberichtigung zu prüfen haben.
2. Der Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr beträgt somit (gegenwärtig) gem. Nr. 3102 VV 40,00 bis 460,00 EUR. Die Mittelgebühr beträgt 250,00 EUR. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr – wie im vorliegenden Fall – von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Eine solche Feststellung und die gegebenenfalls anderweitige Festsetzung obliegen dann dem Gebührenschuldner.
Unter den zu berücksichtigenden Umständen nennt § 14 Abs. 1 RVG an erster Stelle den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sowie deren Schwierigkeit. Für den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit kommt es neben der Zahl der gefertigten Schriftsätze auch auf den Einsatz des Rechtsanwalts zur Erstellung der darin getätigten Ausführungen an. Zu berücksichtigen sind dabei z.B. das Lesen der Verwaltungsentscheidung, die Beratung des Mandanten, das Aktenstudium, die Anfertigung von Notizen, mithin bei Geltendmachung eines Anspruchs die Darlegung, wie sich dieser rechnerisch ermittelt, und zwar unter Eingehung auf die streitigen Rechtsvorschriften sowie der Heranziehung von Komment...