StPO §§ 464b, 472
Leitsatz
Die Landeskasse hat zwar niemals die notwendigen Auslagen der Nebenklage zu tragen, wenn aber eine entsprechende fehlerhafte Kostengrundentscheidung ergangen ist, kann diese nicht im Kostenfestsetzungsverfahren korrigiert werden.
LG Koblenz, Beschl. v. 24.9.2010 – 4 Qs 56/10
1 Sachverhalt
Gegen den hier im Beschwerdeverfahren nicht beteiligten ... wurde wegen gefährlicher Körperverletzung Anklage erhoben. Der mutmaßlich Geschädigte war Nebenkläger und wurde als solcher anwaltlich vertreten. Der Angeklagte, der Verteidiger, der Nebenklägervertreter und der Nebenkläger, vertreten durch die Erziehungsberechtigten, haben sodann einen Vergleich über die Zahlung von Schmerzensgeld geschlossen.
Sodann erging in der mündlichen Verhandlung folgender Beschluss: "Im allseitigen Einverständnis mit der Staatsanwaltschaft und den sonstigen Beteiligten wird das Verfahren vorläufig gem. § 153a Abs. 2 StPO eingestellt. Dem Angeklagten wird aufgegeben, bis zum 30.3.2010 einen Betrag von 500,00 EUR an den Vater des Nebenklägers zu zahlen. Im Falle der endgültigen Einstellung ist beabsichtigt, die notwendigen Auslagen des Nebenklägers der Staatskasse aufzugeben."
Ein entsprechender Beschluss erging am 7.4.2010. Das Verfahren wurde endgültig eingestellt.
Mit Schreiben, gerichtet an die Staatsanwaltschaft Koblenz, regte der Bezirksrevisor an, gegen die Entscheidung das zulässige Rechtsmittel einzulegen.
Mit Verfügung stellte die Staatsanwaltschaft Koblenz fest, dass die Auslagenentscheidung nicht anfechtbar ist. Es wurde angeregt, den Beschluss zu berichtigen.
Mit Vermerk stellte die entscheidende Richterin fest, dass die inhaltlich falsche Entscheidung offensichtlich versehentlich tatsächlich so gewollt war.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss wurden die dem Nebenkläger aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen antragsgemäß festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss legte der Bezirksrevisor mit Schreiben Beschwerde ein. Dieser Beschwerde wurde nicht abgeholfen und die Sache dem LG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
1. Die Beschwerde des Bezirksrevisors ist als sofortige Beschwerde gem. § 464b S. 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 S. ZPO statthaft. Zu entscheiden ist durch die für das Strafverfahren vorgesehene Besetzung (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, § 464b Rn 7).
2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig aber nicht begründet.
Die Auslagenentscheidung des AG ist zwar falsch: Kosten des Nebenklägers dürfen der Staatskasse in keinem Fall auferlegt werden, da § 472 StPO eine solche Regelung nicht vorsieht (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, § 472 Rn 3).
Der Rechtspfleger ist im Kostenfestsetzungsverfahren jedoch an die bestandskräftige Kostengrundentscheidung gebunden, auch wenn sie eine dem geltenden Recht unbekannte und von vorne herein unzulässige Rechtsfolge ausspricht, fehlerhaft oder sogar grob gesetzeswidrig ist. Lediglich dann, wenn die Kostengrundentscheidung nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nichtig ist, wenn nämlich die Anerkennung der Gültigkeit wegen des Ausmaßes und des Gewichts der Fehlerhaftigkeit für alle billig und gerecht Denkenden geradezu unerträglich wäre, die Entscheidung im Geist der StPO und wesentlichen Prinzipien unserer rechtstaatlichen Ordnung krass widerspräche, kann die Kostengrundentscheidung unbeachtlich sein (LG Saarbrücken, Beschl. v. 30.5.2001 – 8 Qs 194/00, Meyer-Goßner, a.a.O., § 464b Rn 1).
Die Kostenentscheidung kann nicht als Nullum behandelt werden, denn dies widerspräche dem Grundsatz der formellen Rechtskraft. Es ist nicht Inhalt des Kostenfestsetzungsverfahrens, Grundentscheidungen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu überprüfen. Das ist nur mit dem für die Anfechtungsentscheidung zulässigen Rechtsmittel möglich. Sieht das Gesetz eine Anfechtungsmöglichkeit nicht vor oder wird das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt, darf die Grundentscheidung nicht im Festsetzungsverfahren abgeändert werden. Mit der Bindung des Rechtspflegers an den materiellen Inhalt der Kostenentscheidung soll eine nochmalige Überprüfung und – im Extremfall – eine Korrektur der Entscheidung nach dem Ermessen des Rechtspflegers gerade verhindert werden. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen kann auch angesichts der klaren Trennung zwischen Kostengrundentscheidung und Kostenfestsetzungsverfahren auch im Falle einer eindeutig falschen Grundentscheidung nicht zugelassen werden (LG Saarbrücken a.a.O.).
Es sind keine Gründe ersichtlich, warum gerade im Bereich des Kostenrechts der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Grundsatz der Rechtssicherheit zurücktreten sollte. Fehlerhafte Entscheidungen im Kostenrecht haben allenfalls finanzielle Auswirkungen ohne Freiheitsrechte zu berühren. Gegebenenfalls sind entstandene Schäden auszugleichen.
Vorliegend ist nicht davon auszugehen, dass die gesetzeswidrige Kostengrundentscheidung nichtig ist. Mit § 472 StPO besteht eine gesetzliche Regelung zur Erstattungsfähigkeit der notwendigen Auslagen des Nebenklägers. Die Erstattungspflicht wurde vorliegend lediglich fehlerhaft zugeordnet.