ZPO §§ 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4, 494a
Leitsatz
Betreibt der Antragsteller im selbstständigen Beweisverfahren das Verfahren nicht weiter, indem er den angeforderten Auslagenvorschuss für die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht einzahlt, so sind ihm auf Antrag des Gegners grundsätzlich die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Ist kein Hauptsacheverfahren anhängig, in dem diese Kostenfolge ausgesprochen wird, und haben die Parteien sich über die Kosten nicht geeinigt, ergeht eine Kostenentscheidung ausnahmsweise im selbstständigen Beweisverfahren.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.10.2010 – 8 W 244/10
1 Sachverhalt
Der Antragsteller hatte mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens beantragt. Mit Beschluss hat das LG die beantragte Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet, diese aber davon abhängig gemacht, dass der Antragsteller binnen drei Wochen einen Auslagenvorschuss i.H.v. 3.000,00 EUR einzahlt. Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten kündigte der Antragsteller die Zahlung des Vorschusses an, da aus wirtschaftlichen Gründen eine frühere Zahlung nicht möglich sei. Gleichwohl erfolgte keine Zahlung.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG den Antrag der Antragsgegnerin, dem Antragsteller die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers analog § 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 ZPO komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da die Nichtzahlung des geforderten Vorschusses im Hinblick auf die von dem Antragsteller hierfür angeführten wirtschaftlichen Gründe nicht als konkludente Erklärung der Rücknahme des Antrags auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens ausgelegt werden könne. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, der das LG nicht abgeholfen hat und deren Zurückweisung der Antragsteller beantragt.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 269 Abs. 5 S. 1 ZPO analog, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde, über die gem. § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden hat, ist begründet. Dem Antragsteller sind entgegen der Auffassung des LG die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 ZPO aufzuerlegen.
1. a) Grundsätzlich ergeht im selbstständigen Beweisverfahren keine Kostenentscheidung. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass über die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist und nur ausnahmsweise eine Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren in Betracht kommt, wenn kein Hauptsacheverfahren durchgeführt wird (vgl. BGH NJW-RR 2003, 1240 f. [BGH 22.5.2003 – VII ZB 30/02 = AGS 2003, 410] ; NJW-RR 2005, 1015 f. [= AGS 2005, 170]; NJW 2007, 1279 ff. [BGH 13.12.2006 – XII ZB 176/03 = AGS 2007, 209]; MüKo-ZPO/Giebel, 3. Aufl., § 91 Rn 23). Zwar ist insoweit eine ausdrückliche gesetzliche Kostenregelung lediglich für den Fall getroffen worden, dass der Antragsteller der – nach Beendigung der Beweiserhebung ergangenen – gerichtlichen Anordnung, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben, nicht nachgekommen ist. In diesem Fall sind dem Antragsteller gem. § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO auf Antrag die dem Antragsgegner entstandenen Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Es ist jedoch anerkannt, dass § 494a Abs. 2 S. 1 ZPO keine abschließende Kostenregelung enthält, sondern auch außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung ein Bedürfnis für die Anwendung allgemeiner kostenrechtlicher Regelungen bestehen kann.
b) So hat der Antragsteller, der seinen Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens vor der Beweiserhebung zurücknimmt, in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO grundsätzlich die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zu tragen. Ist kein Hauptsacheverfahren anhängig, in dem diese Kostenfolge ausgesprochen wird, und haben die Parteien sich über die Kosten nicht geeinigt, ergeht eine Kostenentscheidung auf Antrag im selbstständigen Beweisverfahren (vgl. BGH BauR 2005, 133 ff. [BGH, v. 14.10.2004 – VII ZB 23/03 = AGS 2005, 31]).
c) Dasselbe gilt nach h.A. dann, wenn der Antragsteller das selbstständige Beweisverfahren nicht weiter betreibt, etwa wenn er den gem. §§ 379, 402, 492 Abs. 1 ZPO angeforderten Kostenvorschuss nicht einzahlt (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 1150; OLG Stuttgart OLGR 1999, 419; OLG München NJW-RR 2001, 1439; OLG Saarbrücken OLGR 2003, 181 f.; OLG Koblenz WuM 2004, 621; Thüringer OLG, Beschl. v. 25.1.2006 – 4 W 366/05; MüKo-ZPO/Giebel, a.a.O., § 91 Rn 23; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rn 13 Stichwort "selbstständiges Beweisverfahren"; a.A.: OLG Köln NJW-RR 2001, 1650 ff.; OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 864). Dieser h.A. schließt sich der Senat an. Für eine entsprechende Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO besteht auch in denjenigen Fällen, in denen der Antrag...