RVG §§ 45 ff.

Leitsatz

Wird der Anwalt auch für den Abschluss eines Vergleichs mit Mehrwert beigeordnet, erstreckt sich die Beiordung auch auf die Verfahrens- und die Terminsgebühr aus dem Mehrwert.

OLG Köln, Beschl. v. 29.4.2013 – 25 WF 235/12

1 Sachverhalt

Der Antragsteller hatte die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts über das gemeinsame Kind beantragt sowie der Antragsgegnerin zu untersagen, das Kind ohne Zustimmung des Antragstellers an der Erstkommunion teilnehmen zu lassen. Im Termin schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass das Kind bis zum Beginn der Sommerferien im Haushalt der Kindesmutter verbleiben solle, trafen eine Umgangsregelung, einigten sich darüber, dass die Erstkommunion stattfinde sowie darüber, dass ein weiteres ehegemeinsames Kind den Vater jederzeit besuchen könne. Weiter heißt es im Protokoll:

"b.u.v."

(...)

2. Dem Antragsteller wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von RA … für das Verfahren und den Vergleich bewilligt.

3. Der Verfahrenswert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

4. Der Mehrwert für den Vergleich wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.“

Mit Vergütungsfestsetzungsantrag beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers, gegen die Staatskasse Gebühren und Auslagen in Höhe von 1.131,21 EUR festzusetzen; hierin enthalten waren eine Verfahrensgebühr sowie eine Terminsgebühr aus dem Verfahrenswert des Vergleichs.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die Gebühren und Auslagen unter Reduzierung der Verfahrensgebühr und der Einigungsgebühr mit 1.018,64 EUR fest.

Gegen diese Festsetzung richtet sich das Rechtsmittel der Bezirksrevisorin, mit welchem sie eine Reduzierung der Festsetzung auf 714,60 EUR erstrebt und geltend macht, Verfahrens(differenz)gebühr und Terminsgebühr seien nicht aus der Landeskasse zu erstatten.

Die Abteilungsrichterin hat die Erinnerung der Bezirksrevisorin zurückgewiesen und hierzu ausgeführt, dem Antragsteller sei nach Erörterung der Sach- und Rechtslage Verfahrenskostenhilfe für einen umfassenden Elternvergleich bewilligt worden. Es bestehe keine Veranlassung anzunehmen, dass sich die Verfahrenskostenhilfebewilligung nicht auf Verfahrens- und Einigungsgebühr erstrecke.

Gegen diese Entscheidung hat die Bezirksrevisorin Beschwerde eingelegt.

Der Einzelrichter hat das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen.

2 Aus den Gründen

Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3-8 RVG an sich statthafte, gem. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG rechtzeitig eingelegte Beschwerde der Bezirksrevisorin ist auch mit Rücksicht auf den Beschwerdewert des § 33 Abs. 3 S. 1 RVG (hier: 304,04 EUR) und daher insgesamt zulässig. In der Sache selbst bleibt sie ohne Erfolg.

1. Im Hinblick darauf, dass mit nicht angegriffener Wertfestsetzung vom 29.3.2012 der Wert für das Verfahren auf 1.500,00 EUR, der Mehrwert für den Vergleich auf 3.000,00 EUR festgesetzt worden ist, liegt hier die Konstellation des sogenannten "Mehrvergleichs" vor. Für diese Konstellation ist in Rspr. und Lit. umstritten, welche Gebühren der beigeordnete Rechtsanwalt aus der Staatskasse erstattet verlangen kann.

2. a) Gem. § 48 Abs. 1 RVG richtet sich der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Beschluss, durch den Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit – zweifelsfrei angefallener – Gebühren aus der Landeskasse ist daher in erster Linie eine solche nach der Auslegung des Bewilligungsbeschlusses. Dabei unterliegt es zunächst keinem Zweifel, dass das Gericht berechtigt ist, die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf mit dem Vergleichsschluss zusammenhängende Gebühren (also die Verfahrens- und die Einigungsgebühr) zu erstrecken (OLG Köln [4. Zivilsenat], Beschl. v. 12.7.2007 – 4 WF 117/07 = AGS 2008, 65; vgl. weiter OLG Köln [27. Zivilsenat], Beschl. v. 12.11.2012 – 27 WF 171/12; OLG Schleswig, Beschl. v. 22.2.2012 – 15 WF 437/11 = FamRZ 2012, 1416 = NJW 2012, 1523 [= AGS 2012, 404]; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl. 2012, § 48 Rn 120; AnwK-RVG/Fölsch/Schnapp/N. Schneider, 6. Aufl. 2012, § 48 Rn 11).

Es liegt nahe, eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe "für das Verfahren und den Vergleich" regelmäßig dahingehend auszulegen, dass mit ihr alle entstandenen Gebühren abgedeckt und mithin von der Landeskasse zu erstatten sind (a.A. OLG Köln [12. Zivilsenat], Beschl. v. 1.3.2012 – 12 WF 29/12 = MDR 2012, 1193 [= AGS 2012, 581]). Hierfür spricht, dass für den sachlichen Umfang der Bewilligung die objektive Sicht der – rechtskundigen – Verfahrensbeteiligten maßgeblich ist (vgl. OLG Schleswig a.a.O.), die einer Bewilligung "für den Vergleich" gerade keine Einschränkung entnehmen werden. Hierfür spricht weiter die gebotene weitgehende Gleichbehandlung der mittellosen mit der bemittelten Partei hinsichtlich der anwaltlichen Beratung und Vertretung (hierzu vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, vor § 114 Rn 1 mit zahlr. Nachw. aus der Rspr. des BVerfG). Würde die Bewilligung von Verfahr...

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