RVG § 58
Leitsatz
Das Ermittlungsverfahren und das Verfahren des ersten Rechtszuges gelten als Einheit und bilden damit einen einheitlichen Verfahrensabschnitt.
OLG Hamm, Beschl. v. 14.1.2013 – III-5 RVGs 108/12
1 Sachverhalt
Der Antragsteller begehrt mit näherer Begründung für seine Tätigkeit sowohl im vorbereitenden Verfahren als auch im Zwischen- und Hauptverfahren anstelle der gesetzlichen Gebühren eine angemessene Pauschgebühr. Er beantragt nunmehr, jeweils eine angemessene Pauschgebühr für seine Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren und eine angemessene Pauschgebühr für seine Tätigkeit im Zwischen- und Hauptverfahren zu bewilligen.
Der Vertreter der Staatskasse hat ausführlich Stellung genommen und den Tätigkeitsumfang sowie die dem Antragsteller zustehenden gesetzlichen Gebühren zutreffend dargelegt. Insgesamt hält er die erstinstanzlich vom Antragsteller erbrachten Tätigkeiten schon für besonders umfangreich i.S.d. § 51 RVG und mit den gesetzlichen Gebühren auch für unzumutbar vergütet. Er regt jedoch an, den Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr zurückzuweisen, da im Rahmen der abschließenden Wertung auch zu berücksichtigen sei, dass dem Antragsteller von seinem Mandanten bzw. dessen Familie (Vater) bereits ein Betrag in Höhe von 13.697,00 EUR netto zugeflossen sei, der nach § 58 Abs. 3 RVG im Zuge der Gewährung der gesetzlichen Gebühren anrechnungsfrei bleibe. Dieses dem Antragsteller gezahlte Honorar ergebe zusammen mit der gesetzlichen Vergütung in Höhe von 20.050,00 EUR einen Betrag, der die fiktiven Wahlanwaltshöchstgebühren annähernd erreiche. Von daher seien die Tätigkeiten des Antragstellers bereits ausreichend vergütet, ein auszugleichendes Sonderopfer liege nicht vor.
Nachdem dem Antragsteller diese Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse bekannt gegeben worden war, hat er diese mit Schriftsatz dahingehend beantwortet, dass "der bisher für das gesamte Verfahren gestellte Antrag in zwei Verfahrensabschnitte zu unterteilen" sei, "nämlich zum einen in den Verfahrensabschnitt des Ermittlungsverfahrens, in dem er als Wahlverteidiger tätig war, zum andern in den Verfahrensabschnitt des Hauptverfahrens einschließlich Zwischenverfahren, in dem er als Pflichtverteidiger seit seiner gerichtlichen Bestellung tätig war."
Zu diesem neuerlichen Antrag hat der Vertreter der Staatskasse sodann Stellung genommen und gemutmaßt, der Antragsteller könne mit diesem Antrag nunmehr auch einen Pauschgebührenantrag gem. § 42 RVG verfolgen, da er als Anlass für die aufgesplittete Antragstellung die Kostenentscheidung der großen Strafkammer des LG zum Einstellungsbeschluss angebe. Hierzu hat der Antragsteller klargestellt, dass die von ihm gestellten Anträge ausschließlich auf die abschnittsweise Bewilligung von Pauschgebühren nach § 51 RVG gerichtet seien. Die gestellten Anträge seien – entgegen der Auffassung der Staatskasse – auch keiner anderen Auslegung zugänglich.
2 Aus den Gründen
Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr war abzulehnen.
1. Soweit der Antragsteller in seinem neuerlichen Antrag beantragt, das Verfahren für die Bewertung einer zu bewilligenden Pauschgebühr in zwei Verfahrensabschnitte "aufzusplitten", nämlich in den Verfahrensabschnitt des Ermittlungsverfahrens und den des Zwischen- und Hauptverfahrens, ist eine solche Unterteilung im Hinblick auf § 58 Abs. 3 RVG nicht zulässig.
Das Ermittlungsverfahren und das Verfahren des ersten Rechtszuges gelten als Einheit und bilden damit einen einheitlichen Verfahrensabschnitt.
Dies folgt in erster Linie aus der historischen Auslegung: § 58 Abs. 3 RVG ist an die Stelle von § 101 Abs. 1 u. 2 BRAGO getreten, wonach die Anrechnung von Zahlungen für die "Tätigkeit in der Strafsache" erfolgte. Diese nach dem Wortlaut sehr weit gehende Anrechnung wurde nach allgemeiner Auffassung dahingehend ausgelegt, dass Zahlungen auf in der selben Instanz entstandene Gebühren angerechnet wurden, wobei das Ermittlungsverfahren als Teil des erstinstanzlichen Rechtszuges angesehen wurde (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. Aufl., Rn 3 zu § 101 m.w.N.). Eine inhaltliche Änderung – etwa im Sinne einer Einschränkung der Anrechnungsmöglichkeit von Zahlungen – war mit dem Erlass des § 58 Abs. 3 RVG nicht beabsichtigt. Auch aus den Materialien des Gesetzes (vgl. BT-Drucks 15/1971, 203) ergibt sich, dass "die Regelungen des § 101 Abs. 1 und Abs. 2 BRAGO in redaktionell angepasster Form übernommen werden". Es soll danach (lediglich) darauf verzichtet werden, den Beschuldigten oder Dritten ausdrücklich als denjenigen zu nennen, von dem der Rechtsanwalt eine Zahlung erhalten hat, weil es keine andere Variante geben kann. S. 3 ist inhaltsgleich mit § 101 Abs. 2 BRAGO und drückt den Sachverhalt lediglich positiv aus. Der Wille des Gesetzgebers ist insoweit deutlich; eine Änderung der bisherigen Rechtslage war danach nicht beabsichtigt (vgl. hierzu ausführlich den Beschluss des hiesigen 3. Strafsenats v. 20.11.2007 – 3 Ws 320/07 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vgl. auch Beschl. d. OLG Köln v. 30.6.2008 – 2 Ws 207/08).