VvB Art. 10 Abs. 1, 17 GKG §§ 47 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, §§ 52 Abs. 1, 2, 53 Abs. 2 Nr. 4 SGG § 86b RVG §§ 2, 32

Leitsatz

  1. Gerichtliche Streitwert- und Kostenfestsetzungsentscheidungen müssen als Entscheidungen mit objektiv berufsregelnder Tendenz dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (bzw. dem entsprechenden Art. 17 der Verfassung von Berlin) entsprechen. Dies gilt auch für die Streitwertfestsetzung nach dem GKG, weil sich aus ihr gem. § 2 Abs. 1 u. § 32 Abs. 1 RVG die Höhe des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts ableitet.
  2. Die Festsetzung des gerichtlichen Streitwerts auf den Auffangwert kann die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit des prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts verletzen.

VerfGH des Landes Berlin, Beschl. v. 23.1.2013 – VerfGH 37/11

1 Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Streitwertentscheidung des LSG Berlin-Brandenburg in einem vertragsarztrechtlichen Eilverfahren.

Die Beteiligten zu 2) und zu 3) und Dr. H. führten bis Ende 2002 eine internistische Gemeinschaftspraxis. Nach deren Auflösung setzte die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (Beteiligte zu 5) das Individualbudget aller drei Ärzte auf jeweils ein Drittel des Individualbudgets der vormaligen Gemeinschaftspraxis fest. Nach ursprünglicher Ablehnung des Antrags auf Neufestsetzung des Individualbudgets erhöhte die Beteiligte zu 5) Ende 2005 das Individualbudget des Dr. H. auf dessen Widerspruch hin ab dem Quartal II/2003 auf 49,9 % und kürzte zugleich das Individualbudget der Beteiligten zu 2 und zu 3 ab dem Quartal I/2006 auf jeweils 25,05 %.

Der Beteiligte zu 2) – anwaltlich vertreten durch den Beschwerdeführer – und die Beteiligte zu 3) erhoben hiergegen jeweils Klage vor dem SG. Den gleichzeitig gestellten Anträgen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gab das SG nach Verbindung der beiden Verfahren mit Beschl. v. 4.9.2006 statt. Den Streitwert setzte es auf 1.666,66 EUR fest (ein Drittel des Auffangstreitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG).

Gegen diesen Beschluss legte der zum Verfahren beigeladene Dr. H., über dessen Vermögen im Laufe des Beschwerdeverfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, Beschwerde ein. Der Beschwerdeführer und die Beteiligte zu 3) legten Streitwertbeschwerde ein und begehrten eine Festsetzung des Streitwerts auf 64.674,64 EUR unter Zugrundelegung des ursprünglichen Individualbudgetbescheides und der dort festgestellten Umsätze der Gemeinschaftspraxis aus dem Jahr 2002.

Mit Beschl. v. 22.12.2006 half das SG Berlin den Streitwertbeschwerden ab und setzte den Streitwert auf 64.674,64 EUR fest. Hiergegen legte die Beteiligte zu 5) Streitwertbeschwerde ein. Sie begehrte eine Festsetzung des Streitwerts auf 14.775,68 EUR mit der Begründung, dass die auf Grundlage des Beschlusses des SG gewährte Nachvergütung im Quartal I/2006 tatsächlich 11.081,76 EUR betragen habe. Dieser Betrag sei nur auf ein Jahr hochzurechnen (44.327,04 EUR), und davon sei ein Drittel als Streitwert anzusetzen.

Mit Beschl. v. 6.2.2008 wies das LSG die Beschwerde des Dr. H. gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zurück und setzte den Wert des Verfahrensgegenstandes für dieses Beschwerdeverfahren auf 30.000,00 EUR fest. Dabei legte es als Hauptsachestreitwert für einen Zeitraum von zwölf Quartalen jeweils den Auffangwert von 5.000,00 EUR zugrunde und reduzierte diesen Betrag für das einstweilige Rechtsschutzverfahren auf die Hälfte.

Die dagegen gerichtete Streitwertbeschwerde des Beschwerdeführers verwarf das LSG mit Beschl. v. 6.6.2008 unter Hinweis auf die Unanfechtbarkeit der Streitwertfestsetzung als unzulässig. Zugleich wies es darauf hin, dass sich der Streitwert nach dem Antrag der Beteiligten zu 4) als Beschwerdeführerin bestimme, nicht nach dem wirtschaftlichen Interesse des Beteiligten zu 2). Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Gegenvorstellung und machte geltend, dass die Interessen der Beteiligten zu 2) und 3) und des Dr. H. deckungsgleich und auch tatsächlich bezifferbar seien, weshalb eine Schätzung unter Zugrundelegung des Auffangstreitwerts nicht in Betracht komme. Mit Beschl. v. 17.11.2008 wies das LSG die Gegenvorstellung zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, dass der Beschwerdeführer wohl verkannt habe, dass das Interesse des Beteiligten zu 2) auf Beibehaltung seines (ungekürzten) Individualbudgets ab dem Quartal I/2006 vom Interesse des beschwerdeführenden Beigeladenen (Dr. H.) auf Beibehaltung der Erhöhung seines Individualbudgets ab dem Quartal III/2003 erheblich abweiche.

Mit dem hier angegriffenen Beschl. v. 21.12011 änderte das LSG den Streitwertbeschluss des SG v. 22.12.2006 auf die Beschwerde der Beteiligten zu 5) ab und setzte den Wert des Streitgegenstandes für das sozialgerichtliche (Eil-)Verfahren auf 30.000,00 EUR fest. Gem. § 52 Abs. 1 GKG sei der Streitwert nach der sich aus dem Antrag für die Antragsteller ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Danach sei der Streitwert auf den tenorierten Wert zu reduzieren. Zur weiteren Begründung werde auf die Beschlüsse v...

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