RVG §§ 15a Abs. 1, 58 Abs. 2
Leitsatz
Zur Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf eine Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV im Rahmen des Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.4.2019 – OVG 6 K 53.18
1 Sachverhalt
Das VG hatte den Klägern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten (hiesiger Erinnerungsführer und Beschwerdegegner) bewilligt. Nach Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs haben die Kläger die Klage zurückgenommen. Danach tragen die Kläger die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wurde auf 15.000,00 EUR festgesetzt. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragte daraufhin die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung i.H.v. insgesamt 940,70 EUR. Darin sind nach der Tabelle des § 49 RVG eine Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) i.H.v. 435,50 EUR, eine Einigungsgebühr (Nr. 1003 VV) sowie eine Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV) zzgl. USt. enthalten. Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle setzte die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 553,95 EUR fest und lehnte den darüber hinausgehenden Antrag mit der Begründung ab, dass die im Vorverfahren von den Klägern an den Prozessbevollmächtigten gezahlte Geschäftsgebühr i.H.v. 650,00 EUR zur Hälfte, mithin i.H.v. 325,00 EUR auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen und die Mehrwertsteuer entsprechend zu kürzen sei. Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten der Kläger setzte das VG die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung unter Abänderung der Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin auf 940,70 EUR fest, da die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr nicht zur Hälfte auf die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung anzurechnen sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin.
2 Aus den Gründen
Die nach § 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 und 3 RVG zulässige Beschwerde, über die der Senat gem. § 33 Abs. 8 S. 2 RVG nach Übertragung durch den Einzelrichter entscheidet, ist begründet. Das VG hat die dem Prozessbevollmächtigten aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung zu Unrecht um weitere 386,75 EUR auf 940,70 EUR erhöht. Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist nicht zu beanstanden.
Die von dem Prozessbevollmächtigten den Klägern in Rechnung gestellte und von diesen beglichene Geschäftsgebühr mit einem Gebührensatz von 1,0 (Nr. 2300 VV) i.H.v. 650,00 EUR ist zur Hälfte auf die aus der Staatskasse zu gewährende Verfahrensgebühr mit einem Gebührensatz von 1,3 i.H.v. 435,50 EUR anzurechnen. Dies folgt aus der amtlichen Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV. Danach wird, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 VV entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.
Soweit das VG in Anwendung von § 58 Abs. 2 RVG eine solche Anrechnung ablehnt, ist dem nicht zu folgen. Nach § 58 Abs. 2 RVG sind in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 VV bestimmen, Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Die Vorschrift des § 58 Abs. 2 RVG bestimmt lediglich die Reihenfolge, in der Vorschüsse und Zahlungen auf den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts anzurechnen sind. Die Zahlungen sind zunächst auf den Teil seiner Vergütung zu verrechnen, der geringer gesichert ist, weil ihm kein Entschädigungsanspruch gegen die Staatskasse entspricht. Eine Aussage über die Entstehung und die Höhe der jeweils zustehenden Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis trifft die Vorschrift hingegen nicht. Daran hat auch die Einfügung des § 15a Abs. 1 RVG nichts geändert. Sieht das Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere vor, kann nach dieser Vorschrift der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Mit dieser Vorschrift, die allein das Innenverhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Auftraggeber betrifft, werden zwar die Modalitäten der nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV vorzunehmenden Anrechnung einer Gebühr auf eine andere dadurch verändert, dass nunmehr beide Gebühren zunächst als in voller Höhe entstanden anzusehen sind, der dem Rechtsanwalt aus den beiden Gebühren zustehende Gesamtbetrag aber zugleich der Höhe nach gedeckelt wird. Die Vorschrift des § 58 Abs. 2 RVG verhält sich demgegenüber weder zur Höhe der dem Rechtsanwalt insgesamt zustehenden Vergütung noch dazu, wie mit Anrechnungsbeträgen i.S.d. § 15a RVG zu verfahren ist, sondern beschäftigt sich nur mit der Zuordnung von Vorschüssen und Zahlungen auf die zustehende Vergütung. Es handelt sich somit um zwei voneinander zu trennende Regelungsbereiche. Dies lässt die in der Rspr. der Oberlandesgerichte verbreitete Auffassung, wonach der anzurechn...