Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 S. 1 u. 4, Abs. 3 S. 3 RVG fristgerecht eingelegt. Zwar wurde der Beschl. des LG bereits am 18.12.2018 an den Verteidiger übersandt und die weitere Beschwerde ging erst am 21.1.2019 beim LG ein. Dies führt aber vorliegend nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde. Das LG hat trotz fristgebundener Beschwerdemöglichkeit gegen den Beschluss keine Zustellung verfügt, sondern diesen gem. Verfügung v. 18.12.2018 lediglich formlos übersandt. Da eine Zustellung von Amts wegen zu erfolgen hat, aber eine Zustellung des Beschlusses vorliegend nicht beabsichtigt war, wurde die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt. Es konnte auch keine Heilung gem. § 37 Abs. 1 StPO, § 189 ZPO eintreten, denn diese setzt eine fehlgeschlagene Zustellung mit Zustellungswillen des Gerichts voraus (vgl. BGH, Beschl. v. 26.11.2002 – VI ZB 41/02 und Urt. v. 7.12.2010 – VI ZR 48/10; OLG Brandenburg, Urt. v. 16.1.2019 – 7 U 104/16; Wittschier, in: Musielak, ZPO, 11. Aufl., 2014, § 189 ZPO, Rn 2; Schultzky, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 189 ZPO, Rn 2).

In der Sache hat die weitere Beschwerde Erfolg.

Zutreffend stellt die Kammer im Ausgangspunkt darauf ab, dass sich der Vergütungsanspruch nach dem Beiordnungsbeschluss bestimmt, § 48 Abs. 1 RVG. Durch diesen wurde vorliegend eine Erstattung der durch die Umbeiordnung entstandenen Mehrkosten ausgeschlossen. Von dem auslegungsfähigen Begriff der "Mehrkosten" sind die hier geltend gemachten Positionen der Fahrtkosten und des Abwesenheitsgeldes jedoch nicht erfasst. Mit dem Begriff der Mehrkosten werden Fiskalinteressen geschützt: Der Fiskus soll durch den Sinneswandel des Beschuldigten nicht belastet werden. Die so zu schützenden Fiskalinteressen reichen aber nicht weiter, als wenn der Beschuldigte den jetzt gewählten Verteidiger von vornherein bezeichnet hätte und dieser hätte beigeordnet werden können (OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.3.2017 – 1 Ws 122/17 u. v. 23.4.2015 – 1 Ws 170/15). Angesichts der durch das 2. Opferrechtsreformgesetz v. 29.7.2009 erfolgten Streichung der früheren gesetzlichen Einschränkung, dass der Verteidiger möglichst aus der Zahl der örtlichen Rechtsanwälte ausgewählt werden sollte, ist die Gerichtsnähe des Verteidigers keine wesentliche Voraussetzung mehr (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., 2018, § 142, Rn 5; vgl. Laufhütte/Willnow, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl., 2013, § 142, Rn 5). Zwar kann der ortsferne Kanzleisitz des gewählten Verteidigers nach wie vor im Einzelfall einen Grund darstellen, die Bestellung des gewünschten Rechtsanwalts abzulehnen. Im Bestellungsverfahren tritt der Gesichtspunkt der Ortsnähe im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung aber grds. gegenüber dem besonderen Vertrauensverhältnis des Beschuldigten zu seinem Verteidiger zurück (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.9.2001 – 2 BvR 1152/01; BGH, Beschl. v. 17.7.1997 – 1 StR 781/96; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.1.2006 – 2 Ws 5/06). Der Umstand der Ortsferne steht nur dann der Bestellung entgegen, wenn dadurch eine sachdienliche Verteidigung des Beschuldigten bzw. der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gefährdet werden (OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.10.2014 – 1 Ws 162/14). Unter Berücksichtigung dieser Wertung ist der Begriff der "Mehrkosten" dahingehend zu verstehen, dass diejenigen Gebührenpositionen ausgeschlossen werden sollen, die durch die Umbeiordnung doppelt entstehen und damit den Fiskus "ohne wichtigen Grund" i.S.d. Widerrufsmöglichkeit einer Bestellung nach § 143 StPO belasten würden. I.Ü. wäre das "nachträgliche" Entstehen von Fahrtkosten auch bei einer im Laufe des Strafverfahrens eingetretenen beruflichen Veränderung eines von Beginn an beigeordneten Verteidigers denkbar, etwa bei einem Kanzlei- und damit verbundenen Bezirkswechsel.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das OLG Oldenburg in seinem Beschl. v. 23.4.2015 (1 Ws 170/15) bei der Prüfung der Beiordnungsvoraussetzungen einen Vergleich der räumlichen Entfernungen zwischen Gericht und dem Kanzleiort des Verteidigers sowie der Größe des Landgerichtsbezirks vorgenommen hat. Denn hiermit hat das OLG seine Einzelfallentscheidung lediglich dahingehend begründet, dass der Umstand der Ortsferne im dortigen Einzelfall gerade keine Gefährdung der sachdienlichen Verteidigung und des ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs darstellt. Sofern das LG darauf abstellt, dass diese Argumentation nicht übertragbar sei, weil der Amtsgerichtsbezirk Hannover deutlich kleiner sei als der Landgerichtsbezirk Osnabrück und dementsprechend vergleichbare Reisekosten bei der Auswahl eines ortsansässigen Verteidigers nicht entstünden und deshalb der (umfassend verstandene) Mehrkostenausschluss angemessen sei, folgt der Senat dem nicht. Denn der bloße Vergleich der Höhe der Reisekosten entbindet das Gericht nicht von der Prüfung der Beiordnung nach den oben genannten Grundsätzen. Andernfalls wäre eine erhebliche Einschränkung dieser Grundsätze...

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