UStG 2005 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, 10 Abs. 1; UrhG § 97 Abs. 1, Abs. 2, 97a Abs. 1
Leitsatz
- Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, sind umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und den von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren. Auf welche nationale zivilrechtliche Grundlage der Zahlungsanspruch gestützt wird, spielt für die Frage, ob ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vorliegt, keine Rolle.
- Geht es – wie bei Abmahnungen – nicht um die Teilnahme an einem Wettbewerb und erfolgen die Zahlungen nicht für die Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses, ist die mögliche Ungewissheit einer Zahlung nicht geeignet, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der dem Leistungsempfänger erbrachten Dienstleistung und der ggf. erhaltenen Zahlung aufzuheben.
BFH, Urt. v. 13.2.2019 – XI R 1/17
1 Sachverhalt
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlussrevisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist eine Tonträgerherstellerin und Inhaberin von Verwertungsrechten an Tonaufnahmen, insbesondere des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 19 UrhG in der im Jahr 2010 (Streitjahr) geltenden Fassung.
Sie beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei, gegen rechtswidrige Verbreitung der Tonaufnahmen im Internet vorzugehen, in ihrem Namen gegen die Rechtsverletzer Unterlassungs- und Ersatzansprüche außergerichtlich geltend zu machen und Vergleichsvereinbarungen mit Rechtsverletzern abzuschließen. Dazu wurde die Kanzlei auch bevollmächtigt, im Namen der Klägerin Auskunftsansprüche gegen sog. Provider durchzusetzen.
In an die Rechtsverletzer gerichteten Schreiben stellte die Kanzlei die Rechtslage hinsichtlich ihrer Schadensersatz- und Unterlassungs- und Auskunftspflicht sowie ihrer Pflicht zum Ersatz von Anwalts- und Gerichtskosten sowie Aufwendungen im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung durch den Provider nach § 101 Abs. 2 u. Abs. 9 UrhG dar und bot an, gegen Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie Zahlung von pauschal 450 EUR (netto) von der gerichtlichen Verfolgung dieser Ansprüche abzusehen.
Daraufhin gingen im Streitjahr Zahlungen von Rechtsverletzern i.H.v. insgesamt 416.245,85 EUR auf einem von der Kanzlei geführten Fremdgeldkonto ein.
Für ihre Tätigkeiten sowie für die von ihr gestellte technische, personelle und sonstige Infrastruktur erhielt die Kanzlei von der Klägerin vereinbarungsgemäß 75 % aller Zahlungen von Rechtsverletzern. Dieses Honorar sollte sich laut der Vereinbarung zzgl. USt. in der jeweils gesetzlichen Höhe verstehen und monatlich in Rechnung gestellt werden.
Aufgrund einer USt.-Sonderprüfung für die ersten drei Quartale des Streitjahres kam der Prüfer des seinerzeit zuständigen Finanzamts (FA X) zu der Überzeugung, das von der Klägerin durch die Kanzlei betriebene Abmahnverfahren führe zu einem Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Rechtsverletzer.
Entgegen dieser Auffassung meldete die Klägerin in der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr eine verbleibende USt. von 39.373,36 EUR an. Sie ging dabei von der Nichtsteuerbarkeit der von den Rechtsverletzern erhaltenen Beträge aus. Die in den Rechnungen der Kanzlei ausgewiesene USt. i.H.v. 63.333,21 EUR zog die Klägerin als Vorsteuer ab.
Der Auffassung des Prüfers folgend setzte das FA X mit Bescheid v. 23.11.2011 die USt. für das Streitjahr auf 32.785,79 EUR fest. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA X mit Einspruchsentscheidung v. 25.3.2015 als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren fand ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel statt, sodass der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (das Finanzamt – FA) für die Besteuerung der Klägerin zuständig wurde.
Das FG Berlin-Brandenburg gab der Klage mit Urt. v. 30.11.2016 (7 K 7078/15, EFG 2017, 240) teilweise statt. Es entschied, dass die Abmahnungen der Rechtsverletzer durch die Klägerin nicht umsatzsteuerbar seien. Allerdings sei im Gegenzug der Vorsteuerabzug aus den Leistungen der beauftragten Kanzlei zu versagen.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG). Das FA hat Anschlussrevision eingelegt.
Die Klägerin beantragt, das Urt. d. FG v. 30.11.2016 aufzuheben, die USt. für das Jahr 2010 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheides v. 23.11.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung v. 25.3.2015 auf 33.673,36 EUR festzusetzen und die Anschlussrevision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Sie regt an, dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
"1. Ist die v. EuGH in der Rechtssache C-37/16 – SAWP – gewonnene Rechtserkenntnis, dass der gerechte Ausgleich zugunsten der Inhaber von Vervielfältigungsrechten keinen unmittelbaren Gegenwert irgendeiner Dienstleistung darstellt, da der Ausgleich im Zusammenhang mit dem Schaden steht, d...