1. Einheitlicher Umsatzsteuersatz pro Angelegenheit
Nach § 29 der UStR (Umsatzsteuer-Richtlinien) gilt für die Umsatzsteuer der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung:
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Ob von einer einheitlichen Leistung oder von mehreren getrennt zu beurteilenden selbstständigen Einzelleistungen des Rechtsanwalts auszugehen ist, hat umsatzsteuerrechtlich insbesondere Bedeutung für die Anwendung des Steuersatzes. |
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Es ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Rechtsanwalt dem Auftraggeber mehrere selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. |
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In der Regel ist jede Lieferung und jede sonstige Leistung als eigene selbstständige Leistung zu betrachten. Deshalb können zusammengehörige Vorgänge nicht bereits als einheitliche Leistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen wirtschaftlichen Ziel dienen. Dass die einzelnen Leistungen auf einem einheitlichen Vertrag beruhen und für sie ein Gesamtentgelt entrichtet wird, reicht ebenfalls noch nicht aus, sie umsatzsteuerrechtlich als Einheit zu behandeln. Entscheidend ist der wirtschaftliche Gehalt der erbrachten Leistungen. |
2. Ermittlung der Anzahl der gebührenrechtlichen Angelegenheiten
Für die Beantwortung der Frage, welcher einheitliche Umsatzsteuersatz anzuwenden ist, ist bei früheren Änderungen der Umsatzsteuersätze deshalb auf die Anzahl der gebührenrechtlichen Angelegenheiten i.S.v. §§ 15 ff. RVG abgestellt worden. Ferner ist zu prüfen, ob Teilleistungen i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG vorliegen (dazu Beispiele 12 und 13).
3. Haupt- und Nebenleistung
Gem. § 29 Abs. 5 UStR teilen Nebenleistungen umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung. Eine Leistung ist grds. dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie im Vergleich zu der Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng – im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung – zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Leistung für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Beispiel 5: Erste Instanz mit Abwicklungstätigkeiten
Der Rechtsanwalt erhält den unbedingten Prozessauftrag am 19.6.2020 und reicht die Klage am 23.6.2020 bei Gericht. Die Instanz endet nach dem einzigen Verhandlungstermin vom 30.11.2020 mit dem am 7.12.2020 verkündeten Urteil. Der Rechtsanwalt beantragt anschließend im Jahr 2021 noch eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils und betreibt das Kostenfestsetzungsverfahren.
Die Angelegenheit ist gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG am 7.12.2020 beendet worden und die Vergütung ist zu diesem Zeitpunkt fällig geworden. Es gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 16 %.
Die von dem Rechtsanwalt entfalteten Abwicklungstätigkeiten (vollstreckbare Ausfertigung und Kostenfestsetzungsverfahren) werden wegen gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 und Nr. 14 RVG mit den in der Hauptsache (erste Instanz) entstandenen Gebühren abgegolten. Sie teilen umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung "Prozessvertretung erste Instanz", sodass insgesamt der Umsatzsteuersatz von 16 % gilt. Abwicklungstätigkeiten ergeben sich z.B. aus § 19 RVG. Auch der Zeitpunkt des Erlasses von Berichtigungsentscheidungen nach §§ 319, 564 ZPO ist für die Höhe des Steuersatzes deshalb unerheblich.
4. Mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten
Die Anzahl der gebührenrechtlichen Angelegenheiten innerhalb eines Mandats ist allein nach den gesetzlichen Vorgaben des RVG in §§ 15 ff. RVG unter Berücksichtigung insbesondere der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rspr. zu ermitteln. Die Auswirkungen verdeutlichen die folgenden Beispiele:
Beispiel 6: Mehrere Instanzen
Der Rechtsanwalt erhält den unbedingten Prozessauftrag am 19.6.2020. Der Prozess endet in der ersten Instanz am 30.11.2020. Die Berufungsinstanz endet am 30.9.2021.
Es liegen zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.v. §§ 15 Abs. 2, 17 Nr. 1 RVG vor.
Die erste Instanz ist gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG am 30.11.2020 beendet worden und die Vergütung ist zu diesem Zeitpunkt fällig geworden. Für die erste Instanz gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 16 %.
Die Berufungsinstanz ist gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG am 30.9.2021 beendet worden und die Vergütung ist zu diesem Zeitpunkt fällig geworden. Für die Berufungsinstanz gilt der Umsatzsteuersatz von 19 %.
Beispiel 7: Bußgeldverfahren
Der Rechtsanwalt verteidigt den Betroffenen im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und im gerichtlichen Verfahren. Das Bußgeldverfahren endet am 19.6.2020, das gerichtliche Verfahren am 30.9.2020.
Es liegen gem. § 17 Nr. 11 RVG zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten vor.
Das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde ist...