1. Unterschiedliche Steuersätze bei Teilfälligkeiten nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG
Ist der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, wird die Vergütung gem. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG auch fällig, wenn
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eine Kostenentscheidung ergangen oder |
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der Rechtszug beendet ist oder |
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wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht. |
Durch diese Fälligkeitsregelung kann es in gerichtlichen Verfahren innerhalb derselben Instanz (derselben Angelegenheit) dazu kommen, dass unterschiedliche Fälligkeitszeitpunkte vorliegen und damit unterschiedliche Umsatzsteuersätze anzuwenden sind.
Beispiel 12: Versäumnisurteil und Einspruch
Der Rechtsanwalt erhält den unbedingten Prozessauftrag am 19.6.2020. Am 20.11.2020 ergeht Versäumnisurteil, durch das die Kosten dem Beklagten auferlegt werden. Nach dem am 25.11.2020 eingelegten Einspruch endet die Instanz durch Endurteil vom 30.9.2021.
Der Rechtsanwalt rechnet wie folgt ab:
a) Rechtsstreit bis Versäumnisurteil – 16 % Umsatzsteuer |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
393,90 EUR |
(Wert: 5.000,00 EUR) |
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0,5-Terminsgebühr, Nr. 3105 VV |
151,50 EUR |
(Wert: 5.000,00 EUR) |
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Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
565,40 EUR |
16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
90,46 EUR |
Gesamt |
655,86 EUR |
b) Rechtsstreit nach Versäumnisurteil bis Endurteil – 19 % Umsatzsteuer |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
393,90 EUR |
(Wert: 5.000,00 EUR) |
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1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
363,60 EUR |
(Wert: 5.000,00 EUR) |
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Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Gesamt |
777,50 EUR |
abzgl. bereits berechneter 565,40 EUR (netto) |
– 565,40 EUR |
Restbetrag |
212,10 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
40,30 EUR |
Summe |
252,40 EUR |
Beispiel 13: Strafbefehl und Einspruch
Der Rechtsanwalt erhält den Auftrag zur Verteidigung am 19.6.2020. Am 20.11.2020 ergeht Strafbefehl, in dem die Verfahrenskosten dem Angeklagten auferlegt werden. Nach dem am 25.11.2020 eingelegten Einspruch endet die erste Instanz nach dem Hauptverhandlungstermin durch Urt. v. 30.9.2021.
Der Rechtsanwalt rechnet wie folgt ab:
a) Verfahren bis zum Strafbefehl – 16 % Umsatzsteuer |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
200,00 EUR |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
165,00 EUR |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
165,00 EUR |
2 Postentgeltpauschalen, Nr. 7002 VV |
40,00 EUR |
Zwischensumme |
570,00 EUR |
16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
91,20 EUR |
Gesamt |
661,20 EUR |
b) Verfahren nach Einspruch gegen Strafbefehl bis Urteil – 19 % Umsatzsteuer |
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV |
275,00 EUR |
Gesamt |
845,00 EUR |
abzgl. bereits berechneter 570,00 EUR (netto) |
– 570,00 EUR |
Restbetrag |
275,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
52,25 EUR |
Summe |
327,25 EUR |
2. Weitere Teilfälligkeiten
Vergleichbare Konstellationen sind bspw. gegeben bei Teilurteilen, die eine Kostenentscheidung enthalten, sowie beim Ruhen des Verfahrens und dessen Fortsetzung nach mehr als drei Monaten. Bei einem Widerrufsvergleich tritt die Fälligkeit mit Ablauf der Widerrufsfrist oder der Erklärung der Widerrufsberechtigten ein, nicht zu widerrufen. Wird der Vergleich widerrufen, hat der Vergleich nur dann die Teilfälligkeit der Vergütung herbeigeführt, wenn zu dem Vergleich eine gerichtliche Kostenentscheidung ergangen ist. Eine Kostenregelung der Parteien im Vergleich reicht nicht aus.
3. Parteiwechsel
Nach der Rspr. des BGH ist der Rechtsanwalt, der zunächst eine Partei und nach deren Ausscheiden die dadurch in den Prozess neu eingetretene Partei vertritt, in derselben Angelegenheit tätig und erhält seine Gebühren insgesamt nur einmal. Allerdings schuldet wegen § 7 Abs. 2 S. 1 RVG die ausgeschiedene Partei die Vergütung mit dem Steuersatz, der zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens gilt, weil dann gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG die Fälligkeit wegen Auftragserledigung eingetreten ist. Für die neu hinzugezogene Partei richtet sich der Umsatzsteuersatz nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der von ihr geschuldeten Vergütung.