RVG § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1; RVG VV Nrn. 1000, 1003
Leitsatz
Die Behauptung des Auftraggebers, die Tätigkeit seines prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts sei für den späteren Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs nicht ursächlich geworden, stellt eine Einwendung dar, die im Gebührenrecht ihren Grund hat und die der Festsetzung einer Einigungsgebühr im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG nicht entgegensteht.
BGH, Beschl. v. 29.4.2020 – XII ZB 536/19
1 Sachverhalt
Die Antragsteller (Beteiligte zu 1) verlangen gem. § 11 Abs. 1 RVG über die in dem angefochtenen Beschluss erfolgte Festsetzung hinaus den Ansatz einer 1,0-Einigungsgebühr nach einem Gegenstandswert von 36.912,68 EUR i.H.v. 902,00 EUR.
Die Antragsteller haben den Antragsgegner (Beteiligter zu 2) als Kläger in dem, dem Vergütungsfestsetzungsverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreit anwaltlich vertreten. Mit Schriftsatz v. 24.10.2017 teilten sie gegenüber dem LG zur Begründung eines Terminverlegungsantrags mit, dass sich die Parteien weiter in Vergleichsverhandlungen befänden, was die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsätzen gleichen Datums bestätigten. Mit Schriftsatz v. 29.5.2018 teilten die Prozessbevollmächtigten des damaligen Beklagten zu 2) mit, zwischen den Streitparteien sei dahingehend Einigung erzielt worden, dass der Kläger die Klage zurücknehmen, die Gerichtskosten tragen und die Beklagten keine Kostenanträge stellen sollten.
Mit Schriftsatz v. 24.7.2018 zeigte sich die Rechtsanwaltskanzlei K. für den Antragsgegner an und teilte dem LG unter anwaltlicher Versicherung ihrer Legitimierung mit, dass nach Eintritt weiterer – dort nicht genannter – Bedingungen, die außergerichtlich im Vergleichswege bestimmt worden seien, eine Klagerücknahme erfolgen werde; die Antragsteller seien für den Antragsgegner nicht mehr prozessbevollmächtigt. Mit Schriftsatz v. 25.9.2018 zeigten die Antragsteller ihrerseits die Mandatsniederlegung an.
Mit Schriftsatz v. 8.10.2018 baten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2) erneut um eine Terminverlegung und Neuterminierung nicht vor Ablauf von sechs Monaten, weil die mitgeteilte Einigung noch nicht vollzogen worden sei. Mit Schriftsatz v. 10.10.2018 teilten die seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners mit, dass abhängig von der Umsetzung einer bereits erfolgten vergleichsweisen Einigung voraussichtlich kurzfristig eine Klagerücknahme erklärt werden könne; diese erklärten sie sodann namens und im Auftrag des Antragsgegners durch weiteren Schriftsatz v. 27.11.2018 mit dem Zusatz, dass Kostenanträge zwischen den Parteien vereinbarungsgemäß nicht gestellt würden. Letzteres bestätigten die Prozessbevollmächtigten des damaligen Beklagten zu 1) mit Schriftsatz v. 19.12.2018.
Das LG hat den Streitwert für den Rechtsstreit auf 36.912,68 EUR festgesetzt. Mit Schriftsatz v. 19.2.2019 haben die Antragsteller gem. diesem Gegenstandswert beantragt, nach § 11 RVG ihre Vergütung gegen den Antragsgegner u.a. für eine 1,0-Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 VV) i.H.v. 902,00 EUR netto festzusetzen. Der Antragsgegner hat der beantragten Festsetzung der Einigungsgebühr widersprochen, weil die gebührentatbestandlich erforderliche Mitwirkung der Antragsteller nicht ersichtlich sei.
Mit Beschl. v. 6.5.2019 hat die Rechtspflegerin des LG die von dem Antragsgegner an die Antragsteller zu zahlende gesetzliche Vergütung unter Absetzung der Einigungsgebühr auf 4.629,85 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Antragsteller weiter die Hinzusetzung der Einigungsgebühr i.H.v. 902,00 EUR.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt:
Das Bestreiten des Antragsgegners zur mitursächlichen Mitwirkung seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten am Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs sei eine nicht gebührenrechtliche Einwendung i.S.v. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG, die im vereinfachten Vergütungsfestsetzungsverfahren des § 11 Abs. 1 RVG nicht zu prüfen sei.
Der Streit darüber, ob die Antragsteller durch ihre früheren Vergleichsbemühungen an dem später durch andere Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners vereinbarten außergerichtlichen Vergleich – wie für die Erfüllung der in Nrn. 1000, 1003 VV geregelten Gebührentatbestände erforderlich – mitgewirkt haben oder ob der Antragsgegner die nach Nr. 1000 Abs. 2 VV bestehende Vermutung für das Erwachsen der Gebühr mangels einer für den Vergleichsschluss zumindest mitursächlichen Mitwirkung der Antragsteller widerlegen könne, lasse sich in dem primär dem Rechtspfleger zugewiesenen vereinfachten Festsetzungsverfahren gem. § 11 Abs. 1 RVG nicht in dem hierfür erforderlichen Maß zuverlässig klären.
Zwar könne die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV auch dann entstehen, wenn ein außergerichtlic...