RVG VV Nr. 7003

Leitsatz

  1. Ein nicht im Gerichtsbezirk niedergelassener Rechtsanwalt hat Anspruch auf die (fiktiven) Fahrtkosten für die Strecke vom Gerichtsstandort bis zum am weitesten vom Gerichtsstandort entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks (Anschluss an BGH, Beschl. v. 9.6.2018 – I ZB 62/17).
  2. Als am weitesten entfernte Orte sind solche anzusehen, bei denen typischer Weise davon auszugehen ist, dass sich dort niedergelassene Rechtsanwälte befinden. Dies ist bei Unterzentren anzunehmen.
  3. Bei der Streckenbemessung ist die Ortsmitte bzw. das Ortszentrum des am weitesten entfernten Ortes abzustellen. Gängige Routenplanerprogramme sind erfahrungsgemäß geeignet, realitätsnahe Ergebnisse zu liefern.

VG Halle (Saale), Beschl. v. 6.5.2020 – 3 E 190/20

1 Sachverhalt

Der Erinnerungsführer wendet sich mit einer Erinnerung gegen die seinen Gunsten erfolgte Kostenfestsetzung für seine außergerichtlichen Kosten und macht höhere Reisekosten als festgesetzt geltend.

Mit rechtskräftig gewordenem Urteil in diesem Verfahren wurde die Erinnerungsgegnerin zur Verfahrenskostentragung dem Grunde nach verurteilt.

Daraufhin beantragten die Erinnerungsführer die Kostenfestsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten mit einem Gesamtbetrag von 1.285,20 EUR. Nach einem Hinweisschreiben der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle verminderten die Erinnerungsführer den Kostenbetrag auf 1.210,94 EUR, wobei darin netto 72,60 EUR für Fahrtkosten (0,30 EUR x 242 km) enthalten waren.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss die von der Erinnerungsgegnerin an die Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf 1.202,38 EUR nebst Zinsen fest. Hierbei erkannte sie lediglich Fahrtkosten i.H.v. 65,40 EUR netto (2 x 109 km x 0,30 EUR) an, woraus sich die Differenz zum Kostenantrag ergab. Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin aus, anzusetzen seien die Fahrtkosten für die Strecke des am weitesten vom Gerichtsort entfernten Ortes innerhalb des Gerichtsbezirks als maximal anzuerkennende Strecke, weil die Erinnerungsführer einen Rechtsanwalt mit Sitz außerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätten. Soweit die Erinnerungsführer sich für eine Entfernungsbemessung der danach zu betrachtenden Strecke vom VG Halle bis nach Jessen (Elster) auf eine Reisekostentabelle für auswärtige Rechtsanwälte aus dem Jahr 2019 bezogen habe, worin diese Strecke für Hin- und Rückfahrt mit 242 km angegeben sei, ergebe sich unter Ansatz der Routenplaner von Google Maps, via Michelin und ADAC Maps lediglich eine Fahrstrecke zwischen 104 und 107 km für die einfache Strecke. Es werde daher die Reisekostentabelle aus dem Jahr 2016 zugrunde gelegt, die für die Strecke 109 km ausweise.

Gegen diese Entscheidung wurde Erinnerung eingelegt.

Die Erinnerungsführer machen geltend, die in Bezug genommenen Reisekostentabelle sei inzwischen überholt. Die neue Tabelle für 2020 weise für die Strecke vom VG Halle nach Jessen (Elster) eine Entfernung von 131 km für die einfache Strecke aus. Danach ergäben sich für 262 km x 0,30 EUR Fahrtkosten i.H.v. 78,60 EUR netto und eine Gesamtsumme von 1.218,08 EUR für die Kostenfestsetzung. Die Reisekostentabelle werde sei 2017 digital herausgegeben. Infolge der weiteren Entfernung werde um Nachfestsetzung gebeten.

Die Erinnerungsführer legen einen Auszug aus der Reisekostentabelle vor, wonach die Berechnung nicht mehr – wie bisher zur Ortsmitte des vom Gerichtssitz entferntesten Ortes im Gerichtsbezirk erfolge, sondern bis "in den letzten Winkel" des Ortes.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Der Richter hat sie zurückgewiesen.

2 Aus den Gründen

Die von den Erinnerungsführern erhobene Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist zulässig, aber unbegründet (§§ 165, 151 VwGO).

Die Erinnerung hat in der Sache keinen Erfolg. Die von den Erinnerungsführern gegen die Kostenfestsetzung erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Strittig ist allein die Höhe der Auslagen gem. Nr. 7003 VV geltend gemachten Fahrtkosten. Gem. dieser Nr. 7003 können Fahrtkosten für eine Geschäftsreise bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer mit 0,30 EUR als Auslagen geltend gemacht werden. Nach der Rspr. insbesondere des BGH (vgl. etwa: Beschl. v. 9.5.2018 – I ZB 62/17, juris [= AGS 2018, 319]) sind tatsächlich angefallene Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts, auch wenn dieser seinen Sitz nicht in dem Gerichtsbezirk des entscheidenden Gerichts hat, jedenfalls insoweit erstattungsfähig, als sie (fiktiv) auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte. Denn eine solche Beauftragung wäre jedenfalls zulässig gewesen, auch wenn die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit Niederlassung außerhalb des Gerichtsbezirks nicht notwendig gewesen ist. Die Erstattungsfähigkeit der Fahrkosten in diesem Umfang dem Grunde nach liegt dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?