Das Kammermitglied verfasste für seine Anwaltskanzlei ein Werbeblatt zum Diesel-Abgasskandal, welches u.a. folgende Inhalte hatte:
"Motorrechte: Traffic Law. Die Verkehrsrechtsexperten."
Weiterhin heißt es in dem Werbeblatt:
"Als Spezialisten auf dem Gebiet, sorgen unsere Rechtsanwälte dafür, dass Sie zu Ihrem Recht und zu Ihrem Geld kommen."
Auf der zweiter Seite heißt es:
"Zahlreiche Gerichte urteilten bereits zugunsten der Autofahrer:"
Wählen Sie Ihren Vorteil:
1. Lieferung eines neuen Fahrzeugs ohne Nutzungsentschädigung
2. Rückzahlung des Kaufpreises
3. Minderungszahlungen von mehr als 3.000,00 EUR“
Zu den einzelnen Rechten wurde jeweils ein Urteil zitiert. Das Werbeblatt wurde u.a. in Briefkästen eingeworfen.
Die Rechtsanwaltskammer hat gem. den §§ 73 Abs. 2 Nr. 4, 74 BRAO eine Rüge wegen des Verstoßes gem. § 7 Abs. 1, 2 BORA und § 43b BRAO erteilt. Der hiergegen vom Kammermitglied eingelegte Einspruch wurde durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer durch Bescheid zurückgewiesen.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte keinen Erfolg. Gegen die Rüge in Gestalt des Einspruchsbescheides gibt es rechtlich nichts zu erinnern
I. Die Bezeichnungen "Verkehrsrechtsexperten" und "Spezialisten" im Werbeblatt verstoßen gegen § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BORA. Hiernach muss derjenige, der qualifizierende Zusätze verwendet, zusätzlich über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügen und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen sein. Die verwendeten Benennungen sind unzulässig, soweit sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen oder sonst irreführend sind.
Bei den Benennungen "Spezialist" und "Experte" handelt es sich zunächst um qualifizierende Zusätze i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 2 BORA, wobei beide Begriffe gleichzusetzen sind (BGH, AnwBl 2015, 266).
Allerdings ergibt sich vorliegend ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 BORA nicht im Hinblick auf eine Verwechslungsgefahr oder Irreführung bei der Verwendung der Begriffe in Bezug auf den Fachanwalt für Verkehrsrecht, da dem kundigen Rechtssuchenden zuzutrauen ist, dass er den Fachanwalt nicht mit diesen Begriffen gleichsetzt (BVerfG AnwBl 2004, 586 f.; a.A. offensichtlich BGH AnwBl 2015, 266).
Das Kammermitglied erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 BORA, sodass unter diesem Gesichtspunkt eine Irreführung i.S.d. § 7 Abs. 2 BORA vorliegt. Die Angabe eines qualifizierenden Zusatzes nach § 7 Abs. 1 S. 2 BORA soll den Rechtsanwalt in einem Teilbereich als besonders geeignet und befähigt ausweisen, weshalb entsprechende Kenntnisse auf dem benannten Gebiet auch tatsächlich vorhanden sein müssen (Henssler/Prütting/Prütting, BRAO, 5. Aufl., 2019, § 7 BORA Rn 12).
Welche Anforderungen im Einzelnen an die Kenntnisse des Rechtsanwalts zu stellen sind, ist umstritten. Der 1. Zivilrechtssenat des BGH stellt auf die Anforderungen ab, die an einen Fachanwalt zu stellen sind. Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen, besteht keine Veranlassung, dem Rechtsanwalt die Führung einer entsprechenden Bezeichnung zu untersagen, selbst wenn die Gefahr einer Verwechslung mit der Bezeichnung "Fachanwalt" besteht. Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, denen des Fachanwalts, so werden die Interessen des Rechtssuchenden nicht beeinträchtigt, selbst wenn die Begriffe "Fachanwalt" und "Spezialist" verwechselt werden. Ein gleichwohl ausgesprochenes Verbot der Verwendung "Spezialist" ist in diesem Fall zum Schutz des rechtsuchenden Publikums nicht erforderlich und würde gegen Art. 12 Abs. 1 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen (BGH AnwBl 2015, 266 f.). Dem gegenüber fordert der Anwaltssenat des BGH, dass ein Anwalt nur dann die Bezeichnung "Spezialist" verwenden darf, wenn seine Kenntnisse und praktischen Erfahrungen auf dem jeweiligen Gebiet diejenigen eines "nur Fachanwalts" nicht nur unerheblich überschreiten (BGH AnwBl 2017, 201). In diesem Sinne hat auch bereits das OLG Stuttgart entschieden, dass die Verwendung der Bezeichnung "Spezialist" nur dann zulässig ist, wenn der Rechtsanwalt den Durchschnitt weit übersteigende, besondere und genaue Kenntnisse auf dem Fachgebiet aufweist, wobei nicht ausreichend ist, wenn 120 Fälle in dem Fachgebiet in drei Jahren bearbeitet wurden und der Besuch und das Abhalten einzelner Seminare auf diesem Gebiet nachgewiesen werden könnten (OLG Stuttgart NJW 2008, 1326). Gegen diese, an erhöhte Anforderungen anknüpfende Rspr. wurde eingewandt, dass die Voraussetzungen für eine zulässige Bezeichnung als Spezialist unverhältnismäßig überdehnt werden würden (Henssler/Prütting/Prütting, a.a.O., § 7 BORA Rn 12; Hartung/Scharmer/von Lewinski, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 6. Aufl., 2016, § 7 BORA Rn 45).
Ob dieser Kritik an...