RVG § 11 Abs. 1 S. 3; ZPO § 104 Abs. 3
Leitsatz
- Der Antrag nach § 11 Abs. 1 S. 1 RVG kann durch den rechtsschutzversicherten Auftraggeber gestellt werden. Eine Antragsberechtigung besteht auch dann, wenn die Rechtsschutzversicherung die streitigen Gebühren für diesen bereits ausgeglichen hat.
- Ein eigenes Antragsrecht der Rechtsschutzversicherung steht einer Antragsberechtigung nicht entgegen, da diese den Auftraggeber jederzeit im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft zur Führung des Verfahrens ermächtigen kann.
- Ein Rechtsschutzbedürfnis des Auftraggebers zur kostengünstigen Festsetzung nach § 11 RVG besteht aufgrund der versicherungsvertraglichen Verpflichtung, anspruchsverfolgende Maßnahmen gegen möglicherweise zur Zahlung verpflichtete Dritte vorzunehmen. Auf einen eigenen Rückforderungsanspruch des Auftraggebers kommt es nicht an.
- Es steht der Rechtsschutzversicherung frei, einen Anwalt damit zu beauftragen, den Auftraggeber unter Hinweis auf dessen versicherungsvertragliche Verpflichtung um Erteilung des Mandats zur Führung des Verfahrens nach § 11 RVG zu bitten.
- Einwendungen gegen die Zulässigkeit eines Antrags nach § 11 RVG betreffen allein prozessuale Fragen, § 11 Abs. 5 RVG findet keine Anwendung.
- Ein Gespräch mit einer nicht einigungsbereiten Partei löst keine Terminsgebühr aus.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.4.2020 – 13 W 55/19
1 Sachverhalt
Der Kläger und seine frühere Prozessbevollmächtigte – die Antragsgegnerin – streiten im Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG darüber, ob der Antragsgegnerin für die Mitwirkung an einer außergerichtlichen Besprechung eine Terminsgebühr zusteht.
In der Nacht v. 4.8.2015 auf den 5.8.2015 wurde das Fahrzeug des Klägers während einer Urlaubsreise in Italien gestohlen. Der Kläger nahm deshalb die Beklagte – seine Kaskoversicherung – in Anspruch. Die Beklagte lehnte eine außergerichtliche Regulierung ab, da sie den Nachweis einer Diebstahlshandlung nicht als geführt ansah. Der Kläger beauftragte daraufhin die Antragsgegnerin mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Kanzleiintern wurde das Mandat von Rechtsanwalt A. bearbeitet. Am 14.1.2016 führte Rechtsanwalt A. ein Telefonat mit dem Mitarbeiter der Stuttgarter Niederlassung der Beklagten, Herrn F. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits ein unbedingter Klageauftrag vor. Ziel des Telefonats war es aus Sicht der Antragsgegnerin, einen Rechtsstreit, wenn möglich zu vermeiden. Herr F. lehnte eine außergerichtliche Zahlung der Beklagten im Rahmen des Telefonats ab.
Mit Schriftsatz v. 19.2.2016 erhob der Kläger, vertreten durch die Antragsgegnerin, Klage, gerichtet auf Zahlung von 34.865,55 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte glich die geltend gemachten Forderungen nach Zustellung der Klage vollständig aus. Zugleich erkannte sie die Kostentragungspflicht an. Die Kosten des Rechtsstreits wurden nach übereinstimmender Erledigung des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.
Mit Kostenrechnung stellte die Antragsgegnerin dem Kläger die vorgerichtlichen Kosten und die Kosten des gerichtlichen Verfahrens i.H.v. insgesamt 3.563,70 EUR brutto in Rechnung. Für das gerichtliche Verfahren wurden unter Anrechnung einer 0,65-Geschäftsgebühr eine Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) i.H.v. 1.219,40 EUR sowie eine Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) für das am 14.1.2016 geführte Telefonat i.H.v. 1.125,60 EUR aus einem Gegenstandswert von bis 35.000,00 EUR nebst Auslagenpauschale (20,00 EUR) und Umsatzsteuer berechnet. In der Rechnung sind Zahlungen der Rechtsschutzversicherung des Klägers in Höhe des Nettobetrages von 2.994,00 EUR berücksichtigt. Hinsichtlich des Umsatzsteueranteils ist in der Rechnung vermerkt: "bitte nicht überweisen, bezahlt durch Verrechnung".
Mit Kostenfestsetzungsantrag beantragte der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger die Festsetzung der ihm entstandenen Kosten. Das LG setzte die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten, unter Hinzusetzung der angefallenen Gerichtskosten i.H.v. 441 EUR, antragsgemäß auf 2.196,30 EUR fest. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten änderte das OLG den Kostenfestsetzungsbeschluss mit Beschl. v. 26.1.2017 (13 W 131/16) ab. Die zu erstattenden Kosten setzte es ohne Ansatz der beanspruchten Terminsgebühr auf 1.070,70 EUR fest.
Die Antragsgegnerin weigerte sich in der Folge die Terminsgebühr an die Rechtsschutzversicherung des Klägers zurückzuzahlen. Mit Schriftsatz v. 8.2.2019 schrieb der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers den Kläger im Auftrag der Rechtsschutzversicherung an. Er erläuterte, dass die Rechtsschutzversicherung die Frage der zutreffenden Abrechnung durch die Antragsgegnerin im vereinfachten Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG bindend klären lassen wolle. Zugleich bat er unter Hinweis darauf, dass der Kläger versicherungsvertraglich verpflichtet sei, an dem Vergütungsfestsetzungsverfahren mitzuwirken, um Unterzeichnung und Rücksendung des beigefügten Vollmachtsformulars. Der Kläger sandte die Vollmacht mit dem Betreff "Vergütungsfestsetzung" unterzeichnet zurüc...