§§ 11 Abs. 4, 33 RVG
Leitsatz
Erhebt der Auftraggeber im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG Einwendungen gegen den Gegenstandswert der vom Anwalt angemeldeten Gebühren, ist das Verfahren auszusetzen, bis über den Gegenstandswert im gesonderten Verfahren nach § 33 RVG rechtskräftig entschieden worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Gegenstandswert erstmals im Beschwerdeverfahren beanstandet wird.
OLG Hamm, Beschl. v. 31.5.2021 – II-6 WF 126/21
I. Sachverhalt
Die antragstellende Rechtsanwältin hatte die Antragsgegnerin in einem familiengerichtlichen Unterhaltsverfahren vertreten. Nach Kündigung des Mandats hat die Antragstellerin einen Vergütungsfestsetzungsbeschluss nach § 11 RVG gegen die Antragsgegnerin erwirkt. Dagegen hatte die Antragsgegnerin Beschwerde erhoben und eingewandt, dass sowohl die Verfahrensgebühr als auch die Terminsgebühr nach einem zu hohen Wert festgesetzt worden sei. Der Rechtspfleger hat daraufhin das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 Abs. 4 RVG ausgesetzt und die Sache an den Richter abgegeben, damit dieser gem. § 33 RVG über die zwischenzeitlich eingegangenen Anträge auf Festsetzung des Gegenstandswerts entscheide. Gegen diesen Aussetzungsbeschluss hat die Antragstellerin Beschwerde erhoben. Der Rechtspfleger hat der Aussetzungsbeschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt, das die Beschwerde zurückgewiesen hat.
II. Aussetzung des Vergütungsfestsetzungsverfahrens
Die Beschwerde ist zwar nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 11 Abs. 2 S. 3 RVG, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO zulässig; sie ist jedoch unbegründet. Der Rechtspfleger hat das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung der Antragstellerin zu Recht gem. § 11 Abs. 4 RVG ausgesetzt. Macht ein Beteiligter geltend, dass der vom Gericht für die Gerichtsgebühren festgesetzte Verfahrenswert nicht gem. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG auch für die Anwaltsgebühren gelte und damit eine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG nicht in Betracht komme, hat das Gericht über diese abweichende Wertfestsetzung im gesonderten Verfahren nach § 33 RVG zu entscheiden. Wird der Einwand, die zur Festsetzung angemeldeten Gebühren würden sich nicht nach dem vom Anwalt angesetzten Gegenstandswert berechnen, im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG geltend gemacht, kann das Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht fortgeführt werden, da die Wertfestsetzung nach § 33 RVG vorgreiflich ist. Hier hat die Antragsgegnerin im Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend gemacht, die Terminsgebühr sei nicht nach dem vollen Verfahrenswert zu berechnen, sondern lediglich aus dem um 3/4 niedriger anzusetzenden Wert für die Auskunftsstufe, da nur über die Auskunft verhandelt worden sei, nicht aber über die Leistung. Damit hat sie konkludent eine abweichende Wertfestsetzung für die Terminsgebühr gem. § 33 RVG beantragt. Darüber hinaus hatte die Antragsgegnerin eine abweichende Wertfestsetzung für die Verfahrensgebühr der Antragstellerin beantragt, weil deren Mandant vorzeitig beendet worden sei. Aus diesen Gründen ist der mit der Bearbeitung des Vergütungsfestsetzungsverfahrens befasste Rechtspfleger gem. § 11 Abs. 4 RVG verpflichtet gewesen, das Verfahren über die Vergütungsfestsetzung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beantragten abweichenden Wertfestsetzungen gem. § 33 RVG insgesamt auszusetzen. Eine nur teilweise Aussetzung des Vergütungsverfahrens, soweit dies überhaupt für sachdienlich erachtet wird, kommt nicht in Betracht, da eine abweichende Wertfestsetzung gem. § 33 RVG sowohl für die Terminsgebühr als auch für Verfahrensgebühr beantragt worden ist.
Eine Kostenentscheidung ist nach § 11 Abs. 2 S. 6 RVG nicht veranlasst.
III. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des OLG ist zutreffend. Wertfragen sind nicht in einem Kosten- oder in Vergütungsfestsetzungsverfahren zu klären. Die Wertfestsetzung obliegt allein dem erkennenden Richter. Insoweit handelt es sich um ein gesondertes Verfahren. Für das Vergütungsfestsetzungsverfahren ordnet § 11 Abs. 4 RVG sogar ausdrücklich die Pflicht des Gerichts zur Aussetzung des Verfahrens an. Nichts anderes gilt aber auch im Kostenfestsetzungsverfahren, wenn der Verfahrens- oder Gegenstandswert bestritten wird. Auch dann ist das Gericht verpflichtet, auszusetzen, und zwar nach § 148 ZPO (BGH AGS 2014, 246 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2014, 240 [Hansens] = NJW-RR 2014, 765; OLG Düsseldorf AGS 2010, 568). Diese Pflicht zur Aussetzung besteht auch noch im Rechtsmittelverfahren (OLG Brandenburg AGS 2014, 65). Auch das im Kostenfestsetzungsverfahren tätige Beschwerdegericht kann die ausstehende Wertfestsetzung nicht an sich ziehen (OLG Koblenz AGS 2019, 199 m. Anm. N. Schneider). Grund hierfür sind insbesondere die unterschiedlichen Zuständigkeiten. Über die Kostenfestsetzung und die Vergütungsfestsetzung entscheidet – in Zivil- und Arbeitssachen – erstinstanzlich der Rechtspfleger. Über die Festsetzung des Verfahrens- oder Gegenstandswerts entscheidet erstinstanzlich der Richter. Auch der Rechtsmittelzug ist unterschiedlich. Gegen die Wertfestsetzung ist die Beschwerde gegeben (in Zivilsachen ggfs. auch noch die wei...