§ 8 Abs. 1 RVG; Nr. 7008 VV RVG; §§ 165, 151, 154 VwGO; §§ 12 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 2 UStG
Leitsatz
- Der Umsatzsteuersatz richtet sich nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der Anwaltsvergütung, die sich gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG und in gerichtlichen Verfahren auch nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG richtet.
- Ist die das gerichtliche Verfahren abschließende Kostenentscheidung zwar vor dem 31.12.2020 ergangen, dem Verfahrensbevollmächtigten jedoch erst nach dem 31.12.2020 zugegangen, so ist die Anwaltsvergütung mit einem Umsatzsteuersatz von 19 % zu versteuern.
- Die Kostenentscheidung des auf die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergangenen Beschlusses bestimmt sich nach dem den gesetzlichen Kostenregelungen der §§ 154 ff. VwGO zugrunde liegenden Veranlasserprinzip. Danach hat derjenige Beteiligte die Kosten zu tragen, durch dessen Verhalten sie verursacht worden sind. Demgegenüber können die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens der Staatskasse auch dann nicht auferlegt werden, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer unrichtigen Sachbehandlung beruht.
VG Berlin, Beschl. v. 28.4.2021 – 14 KE 21/21
I. Sachverhalt
Die von der Klägerin beim VG Berlin eingereichte Klage hatte keinen Erfolg. Der Rechtsstreit endete durch den die Kostengrundentscheidung zum Nachteil der Klägerin enthaltenden Beschl. v. 3.12.2020. Laut dem Ab-Vermerk der Geschäftsstelle des VG wurde dieser Beschluss am 6.1.2021 an die Prozessbeteiligten übersandt. Am 11.1.2021 ist der Beschluss dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zugegangen.
Aufgrund dieser Kostenentscheidung beantragte die Beklagte die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten, wobei die Anwaltsvergütung mit einem Umsatzsteuersatz von 19 % berechnet wurde. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Anwaltsvergütung nur unter Berücksichtigung eines Umsatzsteuersatzes von 16 % festgesetzt.
Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) der Beklagten hatte beim VG Berlin Erfolg.
II. Höhe des Umsatzsteuersatzes
1. Gesetzliche Grundlagen
Nach Nr. 7008 VV erhält der Rechtsanwalt die Umsatzsteuer auf die Vergütung in voller Höhe, es sei denn, sie bleibt gem. § 19 Abs. 1 UStG unerhoben, nämlich dann, wenn der Rechtsanwalt sog. Kleinunternehmer ist. Gem. § 12 Abs. 2 UStG beträgt der Umsatzsteuersatz für die Vergütung des Rechtsanwalts regelmäßig 19 % der Bemessungsgrundlage. Durch das 2. Corona-Steuerhilfegesetz vom 29.6.2020 (BGBl I, 1512) ist der Umsatzsteuersatz durch Einfügung der neuen Absätze 1 und 2 in § 28 UStG für den Zeitraum vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 von 19 % auf 16 % bzw. von 7 % auf 5 % ermäßigt worden.
Im Fall des VG Berlin stellte sich somit die Frage, ob die Vergütung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit 19 % oder nur mit 16 % zu versteuern war.
2. Änderungen des Steuersatzes
a) Maßgeblicher Stichtag
Für die Frage, auf welchen Stichtag die Berechnung der Höhe der Umsatzsteuer abzustellen ist, kommt es nicht auf die allgemeine Übergangsvorschrift des § 60 RVG (s. N. Schneider, NJW 2007, 325; Hansens, RVGreport 2007, 41) an, aber auch nicht auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung, der Vereinnahmung der Vergütung oder der Erstellung der Vergütungsberechnung durch den Rechtsanwalt an (Volpert, RVGreport 2020, 322; N. Schneider, ErbR 2021, 196). Vielmehr ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der Umsatzsteuer der Tag, an dem der Anwalt seine Leistung erbracht hat bzw. das Ende des Leistungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist (N. Schneider, a.a.O.).
b) Fälligkeit der Anwaltsvergütung
Nach Auffassung des VG Berlin bestimmt sich der Umsatzsteuersatz nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der Anwaltsvergütung. Hierbei sei gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet worden ist. Bei der Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem gerichtlichen Verfahren sei ferner auch auf die in § 8 Abs. 1 S. 2 RVG aufgeführten Fälligkeitstatbestände abzustellen, also auf den Zeitpunkt, zu dem die Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet ist oder das Verfahren länger als drei Monate geruht hat.
Nach den weiteren Ausführungen des VG Berlin ist eine Kostenentscheidung dann ergangen, sobald das Gericht in der Sache in irgendeiner Weise über die Kosten erkannt habe. Dabei sei es gleichgültig, ob der Kostenausspruch konstitutiv wirke oder nur eine bereits kraft Gesetzes eingetretene Folge bestätige. Ergangen sei die Kostenentscheidung mit deren Verkündung, anderenfalls mit der Zustellung oder dem formlosen Zugang bei den Parteien.
Maßgeblicher Zeitpunkt war hier nach den weiteren Ausführungen des VG der unbestrittene Zugang des die Kostengrundentscheidung enthaltenen Beschlusses vom 3.12.2020 beim Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin am 11.1.2021. Zu diesen Zeitpunkt war die vorübergehende Herabsetzung des Umsatzsteuersatzes von 19 % auf 16 % bereits wieder außer Kraft getreten.
III. Kosten des Erinnerungsverfahrens
1. Kosten hat der unterliegende Beteiligte zu tragen
Das...