§§ 3, 8, 9 ZPO; § 41 GKG; § 99 GNotKG
Leitsatz
Ist eine Klage auf den Abschluss eines Miet- oder Pachtvertrags gerichtet, bemisst sich das Interesse der klagenden Partei gem. § 3 ZPO im Grundsatz nach der in der Vertragslaufzeit zu entrichtenden Miete bzw. Pacht, allerdings gem. § 9 ZPO begrenzt auf den dreieinhalbfachen Betrag der Jahresmiete bzw. -pacht.
BGH, Beschl. v. 24.3.2021 – LwZR 4/20
I. Sachverhalt
Zwischen den Parteien bestand ein Pachtvertrag über landwirtschaftliche Flächen. Die Laufzeit war bis zum 31.10.2019 vereinbart. Der Kläger war der Auffassung, am 18.11.2016 sei hinsichtlich der Folgejahre ein Pachtvorvertrag über weitere sechs Jahre geschlossen worden. Ausgehend hiervon verlangte er nunmehr vom Beklagten die Zustimmung zum Abschluss eines Pachtvertrags für weitere sechs Jahre nach Maßgabe des bisherigen Pachtvertrags. Da der Beklagte dem nicht zugestimmt hat, erhob der Kläger Klage auf Zustimmung zum Abschluss eines entsprechenden Pachtvertrags. Der Beklagte hat widerklagend Räumung und Herausgabe der verpachteten Flächen nach Ablauf der Pachtzeit verlangt. Das AG – Landwirtschaftsgericht – hat die Klage abwiesen und der Widerklage stattgegeben. Die hiergegen erhobene Berufung ist vom OLG – Senat für Landwirtschaftssachen – zurückgewiesen worden. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, mit der er seinen Klageantrag und die Abweisung der Widerklage erreichen will.
II. 3,5facher Jahreswert ist maßgebend
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands den nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Betrag von mehr als 20.000,00 EUR nicht erreicht.
Die Vorschrift des § 8 ZPO ist nicht unmittelbar einschlägig, da es an einem Pachtvertrag fehlt. Gegenstand der Klage ist vielmehr die Abgabe einer Willenserklärung auf Abschluss eines Pachtvertrags. Damit ist das Interesse der klagenden Partei gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts zu bestimmen. Insoweit ist allerdings die Wertung des § 9 ZPO zu berücksichtigen. Bei der Klage auf Abschluss eines Miet- oder Pachtvertrags, bemisst sich das Interesse der klagenden Partei gem. § 3 ZPO im Grundsatz nach der in der Vertragslaufzeit zu entrichtenden Miete bzw. Pacht. Dabei ist der Wert aber entsprechend der Wertung des § 9 ZPO regelmäßig auf die 3,5-fache Jahresmiete bzw. -pacht zu begrenzen. Der Gebrauchsgewährungsanspruch als solcher ist nicht Streitgegenstand, sodass über ihn keinerlei rechtskraftfähige Entscheidung ergeht und zudem selbst bei einem befristeten Pachtvertrag nicht sicher feststeht, wie lange er durchgeführt wird. Ausgehend von einer Jahrespacht i.H.v. 3.500,00 EUR beträgt das 3,5-fache hiervon 12.500,00 EUR.
Der Wert der Widerklage ist mit dem Jahreswert der Pacht zu bemessen. Da Klage- und Widerklage jedoch denselben Gegenstand betreffen, werden die Werte nicht addiert (§ 5 ZPO). Der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands ist damit nicht erreicht.
III. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung und Ihre Begründung sind bedenklich.
1. Zutreffend wäre der 6fache Jahresbetrag gewesen
Geklagt wurde nicht aus einem Miet- oder Pachtvertrag, sondern aus einem Vorvertrag, und zwar auch nicht auf Gebrauchsgewährung, sondern auf Abgabe einer Willenserklärung. Der BGH hat insoweit auf § 3 ZPO abgestellt. Es fragt sich aber, ob hier nicht auf § 8 ZPO hätte abgestellt werden müssen. Zwar war nicht das Bestehen eines Pacht- oder Mietverhältnisses Streitgegenstand. Streitig war vielmehr das Bestehen eines Vorvertrags auf Abschluss eines Pachtvertrags. Dieser Streit muss m.E. ebenso unter § 8 ZPO subsumiert werden. Es macht letztlich keinen Unterschied, ob das Pachtverhältnis selbst streitig ist oder der Anspruch darauf. Nach § 8 ZPO ist auf die 25fache Jahrespacht abzustellen; ist die streitige Zeit aber geringer, gilt der geringere Betrag. Das wären hier also die verlangten sechs Jahre gewesen und hätte einen Betrag i.H.v. 6 x von 3.500,00 = 21.000,00 EUR ergeben, womit der erforderliche Beschwerdewert erreicht worden wäre.
2. A.A: § 99 GNotKG
Einen anderen Ansatz verfolgt Kurpat (Schneider/Kurpat, Streitwertkommentar, 14. Aufl., 2016, Rn 912). Er geht wie der BGH den Weg über § 3 ZPO, zieht dann aber die Wertung des § 99 Abs. 1 GNotKG heran, der für den Abschluss von Miet- und Pachtverträgen gilt. Danach wäre ebenfalls der Sechs-Jahres-Wert heranzuziehen gewesen. Auch danach wäre die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig gewesen.
Der Ansatz des BGH, auf die Wertung des § 9 ZPO abzustellen, erscheint jedenfalls insoweit bedenklich, als es dem Kläger nicht um wiederkehrende Leistungen ging, sondern um den Abschluss des Pachtvertrags.
3. Klage- und Widerklage mit demselben Gegenstand sind auch beim Rechtsmittelstreitwert nicht zu addieren
Soweit der BGH die Werte von Klage und Widerklage nicht zusammengerechnet hat, war dies zutreffend. Wird einerseits Räumung verlangt und andererseits Feststellung des Fortbestands eines Miet- oder Pachtverhältnisses, liegt derselbe Streitgegenstand i.S.d. § 5 ZPO GKG vor, sodass die Werte nicht zu addieren sind. Nichts...