§ 1 Abs. 1 S. 1 GKG; Nrn. 6112, 6500 GKG KV
Leitsatz
- Der Streitwert eines Wiederaufnahmeverfahrens (hier: Restitutionsklage) entspricht grundsätzlich immer dann, wenn auch das Wiederaufnahmeverfahren letztlich auf die Aufhebung bzw. Änderung der angefochtenen Bescheide zielt, dem Streitwert desjenigen Verfahrens, dessen Wiederaufnahme begehrt wird.
- Anders als im Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts enthält das GKG keine entsprechenden Regelungen für die Gerichtskosten des Wiederaufnahmeverfahrens in der Finanzgerichtsbarkeit. Ob für das Wiederaufnahmeverfahren der Gebührentatbestand der Nr. 6500 GKG KV (2,0-Gebühr) oder der Tatbestand der Nr. 6112 GKG KV (5,0-Gebühren) heranzuziehen ist, bleibt offen.
- Das Gericht darf im Verfahren über die Erinnerung gegen den Gerichtskostenansatz nicht zum Nachteil des die Erinnerung führenden Kostenschuldners entscheiden.
BFH, Beschl. v. 6.4.2021 – X E 5/20
I. Sachverhalt
Die Kläger, die Eheleute E, hatten sich vor dem FG Münster gegen einen Bescheid gewandt, durch den das Finanzamt einen Investitionsabzugsbetrag i.H.v. 32.000,00 EUR rückgängig gemacht und den Einkommensteuerbescheid 2011 entsprechend geändert hatte. Die nach Zurückweisung des Einspruchs erhobene Klage der Eheleute E hat das FG Münster zurückgewiesen. Die Revision gegen seine Entscheidung hat das FG nicht zugelassen. Hieraufhin haben die Eheleute E beim BFH eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt, die der Senat durch Beschl. v. 29.8.2019 als unbegründet zurückgewiesen hat. Den Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren hat der BFH auf 9.890,00 EUR festgesetzt. Gegen diese Entscheidung haben die Eheleute E vor dem BFH ein Wiederaufnahmeverfahren in der Form einer Restitutionsklage betrieben, das ebenfalls keinen Erfolg gehabt hat.
Hieraufhin hat der Kostenbeamte des BFH für das Wiederaufnahmeverfahren gegen die Eheleute E nach einem Streitwert von 9.890,00 EUR eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 6500 GKG KV angesetzt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Kläger hatte keinen Erfolg.
II. Streitwert des Wiederaufnahmeverfahrens
Der BFH hat zunächst festgestellt, dass der Kostenbeamte seinem Gerichtskostenansatz zu Recht einen Streitwert i.H.v. 9.890,00 EUR zugrunde gelegt hat. Die Höhe des Streitwertes eines Wiederaufnahmeverfahrens (hier: Restitutionsklage) entspreche nämlich grds. immer dann, wenn – wie hier – auch das Wiederaufnahmeverfahren letztlich auf die Aufhebung bzw. Änderung der angefochtenen Bescheide ziele, dem Streitwert desjenigen Verfahrens, dessen Wiederaufnahme begehrt werde (so auch BGH AnwBl. 1978, 260; BFH BFH/NV 1989, 315 und 990, 257).
III. Gebührentatbestand
Der Kostenbeamte des BFH hatte für das Wiederaufnahmeverfahren eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 6500 GKG KV angesetzt, der im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingreift, soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird.
Der BFH hat festgestellt, dass dies nicht zu Lasten der Kläger gehe. Aus der Regelung in § 1 Abs. 1 S. 1 GKG, wonach Gerichtskosten "nur nach diesem Gesetz erhoben" werden, ergebe sich, dass über die gesetzlich geregelten Tatbestände hinaus ein Ansatz von Gerichtskosten nicht zulässig sei (BFH BFH/NV 2003, 650).
1. Für das Ausgangsverfahren bestimmte Gebühr
Bei Wiederaufnahmeklagen zieht der BFH denjenigen Gebührentatbestand heran, der für das Verfahren gelte, dessen Wiederaufnahme begehrt werde (so BFH BFHE 142, 411 für die Nichtigkeitsklage gegen ein Revisionsurteil; BFH BFH/NV 2010, 440 für die Nichtigkeitsklage gegen Entscheidungen über Anhörungsrügen sowie Beschwerden; BFH RVGreport 2012, 317 [Hansens] für die Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde). Da sich die von den Klägern erhobenen Restitutionsklage gegen einen Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde gerichtet habe, habe der Kostenbeamte deshalb auch für das Restitutionsverfahren den Gebührentatbestand der Nr. 6500 GKG KV angewandt.
2. Gebühr für das erstinstanzliche Klageverfahren
Bei anderen "Folgeverfahren", wie etwa der Anhörungsrüge, sei allerdings nicht der für das Ausgangsverfahren geltende Gebührentatbestand heranzuziehen, sondern der vom Gesetzgeber geschaffene eigenständige Gebührentatbestand (etwa nach Nr. 6400 GKG KV). Anders als im KV aufgeführte Regelungen für Wiederaufnahmeverfahren im Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts sehe das KV entsprechende Regelungen für Wiederaufnahmeverfahren in der Finanzgerichtsbarkeit nicht vor. Ob angesichts dessen die Heranziehung des Gebührentatbestands der Nr. 6500 GKG KV noch möglich ist, hat der BFH hier dahinstehen lassen. Anderenfalls wäre nämlich der Gebührentatbestand der Nr. 6112 GKG KV anzuwenden, der eine 5,0-Verfahrensgebühr für Verfahren vor dem BFH vorsieht. Der BFH hat darauf hingewiesen, dass der Tatbestand der Nr. 6112 GKG KV ein Verfahren vor dem BFH im ersten Rechtszug (Klageverfahren) voraussetzt. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, da es sich bei der Restitutionsklage nach dem Wortlaut der §§ 578, 580 ZPO um ein Klageverfahren handele.