§ 33 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 8 S. 2, § 48 Abs. 1, § 56 Abs. 2 S. 1 RVG; Nr. 4130 VV RVG
Leitsatz
Nimmt der Angeklagte seine Revision vor deren Begründung zurück, steht dem Beistand des Nebenklägers keine Gebühr für das Revisionsverfahren zu.
OLG Celle, Beschl. v. 28.4.2021 – 2 Ws 122/21
I. Sachverhalt
Das LG hat den Angeklagten am 9.2.2021 u.a. wegen versuchter Vergewaltigung verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte zunächst Revision eingelegt, diese jedoch noch vor Einreichung einer Revisionsbegründung zurückgenommen, sodass das Urteil seit dem 16.2.2021 rechtskräftig ist. Der bestellte Beistand der Nebenklägerin hat mit Schriftsatz vom 10.2.2021 die Festsetzung von Gebühren (auch) für das Revisionsverfahren beantragt. Das hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des LG abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Verfahrensgebühr nach Nr. 4130 VV nach der von der überwiegenden obergerichtlichen Rspr. vertretenen Ansicht nicht bereits schon nach Einlegung der Revision durch einen Verfahrensbeteiligten entstehe, sondern erst nach Eingang der Revisionsbegründung. Letztere sei hier jedoch nicht eingereicht worden.
Dagegen hat der Beistand der Nebenklägerin Beschwerde eingelegt. Er hat vorgetragen, die Nebenklägerin habe von der Revision des Angeklagten am Tag ihrer Einlegung Kenntnis erlangt. Er habe die Nebenklägerin daraufhin über den weiteren Gang des Verfahrens sowie zu der Frage beraten, ob sie die beabsichtigte therapeutische Behandlung im Hinblick auf eine mögliche Aufhebung des angefochtenen Urteils nebst Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer erneuten gerichtlichen Zeugenvernehmung aufschieben solle. Nach der Rücknahme der Revision des Angeklagten habe sie die Nebenklägerin entsprechend informiert, um ihr zu ermöglichen, zeitnah mit der therapeutischen Behandlung beginnen zu können. Durch diese anwaltlichen Tätigkeiten sei der Gebührentatbestand in Nr. 4130 VV erfüllt worden.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Dort ist die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen worden. Der Senat hat die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Nachbereitung der Hauptverhandlung
Nach Auffassung des OLG ist für die Nebenklägerin entgegen ihrer Ansicht keine Verfahrensgebühr nach § 48 Abs. 1 RVG, Nr. 4130 VV angefallen.
1. Verfahrensgebühr des Verteidigers des Angeklagten
Die Frage, ob eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4130 VV bereits dann entstanden sei, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen ein erstinstanzliches Urteil nach § 333 StPO Revision einlegt und diese noch vor Einreichung einer Revisionsbegründung wieder zurückgenommen hat, werde von der überwiegenden Rspr. der OLG für den Fall der Revision der Staatsanwaltschaft verneint. Dies werde damit begründet, dass gerade in dem auf eine reine Rechtsprüfung beschränkten Revisionsverfahren aus der maßgebenden Sicht eines verständigen Rechtsanwalts erst nach der Begründung des Rechtsmittels gem. § 344 StPO Umfang und Zielrichtung der Anfechtung auch für die Verteidigung überschaut und eine sachdienliche Tätigkeit im Rechtsmittelverfahren vorbereitet werden könne. Das durchaus nachvollziehbare Interesse eines Angeklagten, die Erfolgsaussichten einer von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision zu erfahren, beschränke sich vor deren Begründung auf ein rein subjektives Beratungsbedürfnis, wohingegen objektiv eine Beratung weder erforderlich noch sinnvoll sei. Soweit der Verteidiger den Angeklagten in Bezug auf das Revisionsverfahren nach der Revisionseinlegung durch die Staatsanwaltschaft beraten habe, könne sich eine solche Beratung lediglich auf den gesetzlich vorgesehenen Ablauf des weiteren Verfahrens beziehen. Solche Besprechungen vor Begründung des Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft gehörten allerdings noch nicht zum Revisionsverfahren, sondern seien mit den in der Vorinstanz angefallenen Gebühren abgegolten (vgl. OLG Brandenburg RVGreport 2020, 230; OLG Karlsruhe AGS 2017, 504 = RVGreport 2017, 386; OLG Koblenz NStZ-RR 2014, 327; OLG Bremen NStZ-RR 2011, 391; OLG Rostock JurBüro 2009, 541).
2. Verfahrensgebühr des Nebenklägerbeistandes
Das OLG Celle tritt diesen Erwägungen bei. Es legt sie auch der hier zu entscheidenden Frage der Entstehung einer Verfahrensgebühr nach § 48 Abs. 1 RVG, Nr. 4130 VV für den Beistand eines Nebenklägers bei einer Revision des Angeklagten zu Grunde. Denn die noch vor Einreichung ihrer Begründung erfolgte Rücknahme der Revision eines Angeklagten sei mit dem oben erörterten Sachverhalt der Einlegung und Rücknahme einer Revision durch die Staatsanwaltschaft ohne Weiteres vergleichbar. Eine andere Beurteilung ist im vorliegenden Fall auch nicht etwa deshalb veranlasst, weil der Beistand der Nebenklägerin nach Kenntniserlangung von der Einlegung der Revision durch den Angeklagten mit der Nebenklägerin nicht nur den möglichen weiteren Verfahrensgang, sondern auch das Für und Wider eines Aufschubs des Beginns der von der Nebenklägerin angestrebten Behandlungs...