Nrn. 2300, 3309 VV RVG
Leitsatz
Die für einen Gläubiger vorgenommene Anzeige der Abtretung pfändbarer Gehaltsanteile gegenüber dem Arbeitgeber löst lediglich eine 0,3-Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 VV aus.
AG Norderstedt, Beschl. v. 5.3.2021 – 68 M 265/21
I. Sachverhalt
Die Gläubigerin hatte ihre Forderungen gegen den Schuldner bereits rechtskräftig durch Vollstreckungsbescheid titulieren lassen. Anschließend waren verschiedene Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt worden. Parallel dazu hatte der Schuldner seine Gehaltsansprüche an die Gläubigerin unter Mitwirkung deren Anwältin abgetreten. Die Anwältin hat sodann beim Arbeitgeber die Abtretung angezeigt und hierfür eine 1,3-Geschäftsgebühr berechnet. Im Rahmen weiterer Vollstreckungsmaßnahmen entstand Streit, ob die angesetzte 1,3-Geschäftsgebühr als Vollstreckungskosten zu berücksichtigen seien. Das AG hat insoweit lediglich eine 0,3-Gebühr nach Nr. 3309 VV als erstattungsfähig anerkannt.
II. Anfall der Geschäftsgebühr
Auf Vorhalt hat die Gläubigerseite wenig dazu gesagt, warum sie eine 1,3-Geschäftsgebühr als einschlägig betrachte. Sie hat lediglich ausgeführt, dass es sich um eine notwendige Maßnahme der Zwangsvollstreckung gehandelt habe. Daher ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Anzeige der Abtretung die Rechtsanwältin der Gläubigerin im Rahmen eines reinen Vollstreckungsmandats gehandelt hat, sie also nur eine Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 VV geltend machen kann. Mit der Abtretungsanzeige hat die Rechtsanwältin lediglich eine Vollstreckungs- (ggfs. ähnliche) Handlung vorgenommen. Für die Entstehung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV spricht auch der Vergleich mit der Vornahme einer unmittelbaren Vollstreckungshandlung. Hätte der Schuldner nicht bereits freiwillig seine pfändbaren Forderungsanteile abgetreten, hätte die Rechtsanwältin für den Zugriff auf die pfändbaren Anteile eine Vollstreckungsmaßnahme beantragen müssen, die ihrerseits wiederum lediglich die 0,3-Vollstreckungsgebühr nach Nr. 3309 VV ausgelöst hätte. Sollte die Anwältin nicht im Rahmen eines Vollstreckungsmandats gehandelt haben, wäre eine Geschäftsgebühr zwar denkbar. In diesem Falle käme aber lediglich eine 0,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV in Betracht.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Keine Verfahrensgebühr, sondern Geschäftsgebühr
Die Entscheidung ist im Wesentlichen unzutreffend. Das Amtsgericht verkennt, dass hier gerade keine Vollstreckungsmaßnahme vorliegt. Was gewesen wäre, wenn vollstreckt worden wäre, ist irrelevant. Dass die Gläubigerin hätte vollstrecken können, mag sein. Dies ist aber ein anderer Fall. Der Schuldner hatte hier freiwillig seine Gehaltsanteile abgetreten. Mit der Abtretung der Gehaltsanteile sind die entsprechenden Gehaltsansprüche auf die Gläubigerin übergegangen. Die Gläubigerin war also kraft Abtretung nunmehr selbst Inhaberin der Forderung geworden. Soweit die Gläubigerin dann den Arbeitgeber angeschrieben und die Abtretung offengelegt hat, handelt es sich um die Vorbereitung der Durchsetzung der abgetretenen Gehaltsansprüche. Das aber ist eine Geschäftstätigkeit nach Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV. Es gilt hier nichts anderes, als hätte die Gläubigerin die Ansprüche eingefordert, was sie faktisch mit der Abtretungsanzeige auch gemacht hat. Das Vorgehen der Gläubigerin hat also mit einer Vollstreckung überhaupt nichts zu tun, sondern ist – wie bereits ausgeführt – reine Geschäftstätigkeit.
2. Gebührensatz im Ergebnis zutreffend
Allerdings wird man der Hilfsbegründung des AG Norderstedt folgen müssen. Die bloße Anzeige einer Abtretung dürfte den Tatbestand der Nr. 2301 VV (einfaches Schreiben) erfüllen. Dieses Schreiben erfordert weder tatsächliche noch rechtliche Ausführungen. Auch erledigt sich die Sache mit dem einfachen Schreiben, da hier nur die Wirkungen des § 407 BGB verhindert werden sollen, was ja Sinn und Zweck dieses Schreibens ist.
3. Unterschied bei weiterer Tätigkeit
Auch wenn es hier im Ergebnis nicht darauf ankommt, ob man die 0,3-Gebühr aus Nr. 3309 VV oder Nr. 2301 VV herleitet, wirkt sich dies doch spätestens dann aus, wenn die Gehaltsforderungen eingezogen werden müssen. Dabei entsteht dann nämlich nicht eine neue Geschäftsgebühr; vielmehr erstarkt die bisherige Geschäftsgebühr mit dem verminderten Gebührensatz von 0,3 (Nr. 2301 VV) nunmehr zu einer vollen Geschäftsgebühr aus dem vollen Rahmen der Nr. 2300 VV, die dann auch – im Gegensatz zu einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV in einem Einziehungsprozess gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig anzurechnen wäre.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 7/2021, S. 305 - 306