Immer wieder stößt man auf die irrige Auffassung, es sei günstiger, nur den anrechnungsfreien Teil der Geschäftsgebühr als Schadensersatz mit einzuklagen. Selbst viele Rechtsschutzversicherer geben diese Empfehlung, so z.B. die Provinzial Versicherung/ÖRAG.
Dort heißt es:
Zitat
"Vorgerichtliche Kosten sind, soweit hierauf vom Gegner keine Zahlung geleistet wurde und ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch besteht, im Klageverfahren als Nebenforderung mit geltend zu machen. Unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 15a RVG regen wir an, nur den nach Anrechnung verbleibenden Teil der Geschäftsgebühr einzuklagen, damit im späteren Kostenfestsetzungsverfahren die volle Verfahrensgebühr Berücksichtigung findet."
Zutreffend ist wohl, dass in der Kostenfestsetzung ein höherer Betrag geltend gemacht werden kann, wenn nur der anrechnungsfreie Teil der Geschäftsgebühr eingeklagt wird. Indes fragt es sich, was dies für einen Vorteil haben soll.
Beispiel
Der Anwalt wird beauftragt, 8.000,00 EUR anzumahnen. Da der Schuldner nicht zahlt, wird der Anwalt beauftragt, die 8.000,00 EUR einzuklagen. Gleichzeitig soll er die vorgerichtlichen Kosten als Verzugsschaden mit geltend machen.
Zunächst einmal erhält der Anwalt ausgehend von der Mittelgebühr für seine außergerichtliche Vertretung folgende Vergütung:
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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753,00 EUR |
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(Wert: 8.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
773,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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146,87 EUR |
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Gesamt |
|
919,87 EUR |
Nunmehr werden die 8.000,00 EUR eingeklagt. Dafür erhält der Anwalt folgende Vergütung:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
– 376,50 EUR |
|
0,75 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
602,40 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
898,50 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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170,72 EUR |
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Gesamt |
|
1.069,22 EUR |
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Summe |
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1.989,09 EUR |
Dem Anwalt steht es allerdings auch frei, gegenüber dem Mandanten nur den nicht anzurechnenden Teil der Geschäftsgebühr geltend zu machen und im Klageverfahren dann anrechnungsfrei abzurechnen. Dies ergibt folgende Abrechnung:
I. |
Außergerichtliche Vertretung |
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1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
753,00 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
– 376,50 EUR |
|
0,75 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
396,50 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
75,34 EUR |
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Gesamt |
|
471,84 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren |
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|
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
602,40 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.275,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
242,25 EUR |
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Gesamt |
1.517,25 EUR |
III. |
Summe |
1.989,09 EUR |
Das Ergebnis ist dasselbe.
Ebenso kann der Anwalt gegen den Gegner vorgehen.
Er kann also zum einen die volle Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuere mit einklagen. Obsiegt er, werden im Urteil die vollen 919,87 EUR als materiell-rechtlicher Schadensersatz zugesprochen. In der Kostenfestsetzung kann der Mandant dann noch 1.069,22 EUR erstattet verlangen. Insgesamt erhält er also die gesamten Anwaltskosten (1.989,09 EUR) erstattet.
Der Kläger kann aber auch anders vorgehen, indem er nur den anrechnungsfreien Teil der Geschäftsgebühr einklagt. Dann werden nur 471,84 EUR als materiell-rechtlicher Schadensersatz im Urteil tituliert. Er kann dann in der Kostenfestsetzung die vollen Kosten des gerichtlichen Verfahrens (1.517,25 EUR) geltend machen. Per Saldo erhält er also wiederum seine gesamten Kosten (1.989,09 EUR) erstattet.
An dieser Stelle fragt es sich schon, welchen Sinn es haben soll, die außergerichtlichen Kosten nur i.H.d. anrechnungsfreien Teils einzuklagen. Das Ergebnis ist doch ohnehin das Gleiche.
Bereits hier zeigt sich aber schon ein nicht unerheblicher Nachteil. Die vorgerichtlichen Kosten sind spätestens ab Klageerhebung, wenn nicht sogar noch früher, zu verzinsen. Die festgesetzten Kosten sind dagegen erst ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags zu verzinsen (§ 104 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Hinsichtlich der festgesetzten Kosten ist eine Verzinsung i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zwingend vorgeschrieben, während für den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch auch ein höherer Zinssatz geltend gemacht werden kann.
Auch ist es dem Mandanten möglich, früher zu vollstrecken, da er die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils in aller Regel weit früher erhält als die vollstreckbare Ausfertigung des darauf aufbauenden Kostenfestsetzungsbeschlusses. Er verschafft sich also einen gewissen Vorsprung gegenüber den sonstigen Gläubigern.
Der Mandant vergibt sich auch nichts. Wird der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch nicht oder nicht vollständig zugesprochen, dann wird gem. §...