§ 51 RVG
Leitsatz
Zur Gewährung einer Pauschgebühr für den als Zeugenbeistand bestellten Rechtsanwalt unter Berücksichtigung von Zeitaufwand und Komplexität des Verfahrensstoffes.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.3.2022 – 5-2 StE 7/20
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt war als Zeugenbeistand einer Zeugin in einem beim OLG anhängigen Staatsschutzverfahren tätig. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 10.9.2021 war die Ladung der Zeugin für die Hauptverhandlungstermine vom 16. und 18.11.2021, 9.00 Uhr veranlasst worden, woraufhin die Zeugin zu einem nicht bekannten Zeitpunkt den Rechtsanwalt mandatierte. Der Rechtsanwalt wandte sich erstmals mit Schriftsatz vom 15.11.2021 – per Fax um 09.47 Uhr übermittelt – an den OLG-Senat, um die Erklärung des Vorsitzenden zu erlangen, dass die Zeugin in Ansehung eines umfassenden Auskunftsverweigerungsrechts nicht erscheinen müsse. Nach einer sich anschließenden Kommunikation teilte der Rechtsanwalt am selben Tag mit Fax von 12.27 Uhr mit, dass die Zeugin am 16.11.2021 in seiner Begleitung erscheinen werde; zugleich beantragte er seine "Beiordnung als Zeugenbeistand".
Zu Beginn der Hauptverhandlung vom 16.11.2021 war der Antragsteller anwesend. Er wurde der Zeugin gem. § 68b Abs. 2 S. 1 StPO für die Dauer ihrer Vernehmung als Beistand bestellt. Die Zeugin machte nach Belehrung Angaben zur Person, erklärte sodann aber auf die Belehrung durch den Vorsitzenden, sie werde keine Angaben machen und wurde um 09.40 Uhr unvereidigt entlassen.
Der Rechtsanwalt hat die Bewilligung einer Pauschgebühr für seine Tätigkeit beantragt und zur Begründung seines Antrags ausgeführt, dass er insbesondere in Ansehung eines möglichen Rechtes aus § 55 StPO "eine eigenständige und eigenverantwortliche Prüfpflicht und die Verantwortung für das richtige Vorgehen" gehabt habe.
II. Pauschgebühr nach § 51 RVG
Das OLG hat für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand gem. nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG eine Pauschgebühr von 420,00 EUR festgesetzt, die sich aus den gesetzlichen Gebühren i.H.v. 220,00 EUR und einem Erhöhungsbetrag von 200,00 EUR zusammensetzt.
Die gesetzlichen Gebühren belaufen sich – so das OLG – auf 220,00 EUR. Das OLG schließt sich der Auffassung in der Rspr. der OLG an, die einem Rechtsanwalt, der als Zeugenbeistand gem. § 68b StPO für die Dauer der Vernehmung beigeordnet wurde, grds. nur eine Gebühr wegen einer Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Nr. 4 VV gewährt (vgl. OLG Stuttgart Justiz 2011, 367).
Die gesetzlichen Gebühren hat das OLG dann zur Festsetzung der Pauschgebühr um den Betrag von 200,00 EUR erhöht. Gem. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG sei Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar seien. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stelle dabei die Ausnahme dar: Die anwaltliche Mühewaltung müsse sich von sonstigen auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise – abheben (BGH, Beschl. v. 1.6.2015 – 4 StR 267/11, AGS 2016, 5). Dem Rechtsanwalt müsse wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit seiner Tätigkeit durch die gesetzlichen Gebühren eine unzumutbare Benachteiligung entstehen (OLG Frankfurt StraFo 2016, 305).
Hieran gemessen erachtet es das OLG einerseits für erforderlich, andererseits aber auch ausreichend, die gesetzlichen Gebühren um 200,00 EUR zu erhöhen, um die unzumutbare Benachteiligung des Antragstellers auszugleichen. Hierbei hat es insbesondere den Zeitaufwand und die Komplexität des Verfahrensstoffes berücksichtigt. Allerdings habe das (zum Vollrecht erstarkte) Auskunftsverweigerungsrecht der Zeugin auch unzweifelhaft vorgelegen. Die verbleibende unzumutbare Benachteiligung werde – so das OLG – durch eine Erhöhung der gesetzlichen Gebühren um 200,00 EUR ausgeglichen.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Die Entscheidung enthält nichts wesentlich Neues, aber wenn schon mal ein OLG eine Pauschgebühr bewilligt – und dann auch noch für den Zeugenbeistand –, muss darauf zumindest kurz hingewiesen werden. Das vor allem vor dem Hintergrund, dass das BVerfG (vgl. BVerfG NJW 2019, 3370 = RVGreport 2020, 13 = JurBüro 2019, 573) die Nichtgewährung einer Pauschgebühr für einen Zeugenbeistand, der an einer Vernehmung eines Zeugen, die an drei Hauptverhandlungsterminen über etwa 9,5 Stunden stattfand, teilgenommen hat, nicht beanstandet und die gesetzliche Gebühr als zumutbar angesehen hat.
2. I.Ü.: Die Ausführungen des OLG entsprechen dem, was man von den OLG so liest, wenn es um die Pauschgebühr geht. Dass sich das Verfahren hinsichtlich des Umfangs oder der Schwierigkeit nicht in exorbitanter Weise von anderen Verfahren abheben muss, habe ich bereits mehrfach dargelegt (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, § 51 RVG Rn 3 m.w.N.). Und dass der Zeugenbeistand nicht nur nach Nr. 4301 Nr. 4 VV abrechnet, muss man m.E. auch nicht mehr wiederholen. Auch dazu ist genügend gesagt (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.1 Rn 5 ff.). Aber: Die OLG wissen es eben besser. So bleibt es nur, s...