§§ 63, 66 Abs. 2 S. 3, 68 Abs. 1 S. 5 GKG; § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
Leitsatz
- Eine auf die Heraufsetzung des Streitwertes gerichtete Streitwertbeschwerde ist grundsätzlich unzulässig. Das Interesse, durch die Heraufsetzung des Streitwertes die Zulässigkeit eines Rechtsmittels in der Hauptsache zu erreichen, begründet keine Beschwer.
- Die in §§ 66 Abs. 8 S. 1, 68 Abs. 3 S. 1 GKG bestimmte Gebührenfreiheit für Streitwertbeschwerden gilt nur für statthafte Verfahren. Eine kraft Gesetzes ausgeschlossene Beschwerde ist daher kostenpflichtig.
BGH, Beschl. v. 23.3.2022 – I ZB 12/22
I. Sachverhalt
Das OLG Nürnberg hatte durch Beschl. v. 11.11.2021 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Nürnberg-Fürth zurückgewiesen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 EUR festgesetzt. Dagegen hat sich der Beklagte mit seiner im eigenen Namen erhobenen Streitwertbeschwerde gewandt, mit der er die Heraufsetzung des Streitwertes auf mindestens 22.000,00 EUR begehrt hat. Das OLG Nürnberg hat die Streitwertbeschwerde als unzulässig verworfen. Auch gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Beschwerde eingelegt, die der BGH als unzulässig verworfen hat.
II. Statthaftigkeit der Beschwerde
Nach Auffassung des BGH war die Beschwerde des Beklagten unstatthaft, weil gem. § 68 Abs. 1 S. 5, § 66 Abs. 3 S. 3 GKG eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet.
III. Fehlende Beschwer
Außerdem fehlt dem Beklagten nach Auffassung des BGH das erforderliche Rechtschutzinteresse an der Heraufsetzung des Streitwertes. Durch eine zu niedrige Streitwertfestsetzung sei er nämlich nicht beschwert. Das Interesse, durch die Heraufsetzung des Streitwertes die Zulässigkeit eines Rechtsmittels in der Hauptsache zu erreichen (hier wohl die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das OLG Nürnberg, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), begründet nach Auffassung des BGH keine Beschwer (Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl., 2021, § 68 GKG Rn 11 "Kosteninteresse" und "Rechtsmittelzulässigkeit").
IV. Kostenentscheidung
Gemäß § 68 Abs. 3 S. 1 GKG sind die Verfahren – gemeint sind damit auch Beschwerdeverfahren gegen die Festsetzung des Streitwertes – gebührenfrei. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass dies nur für statthafte Verfahren gelte. Wenn jedoch – wie es hier der Fall sei – eine Beschwerde kraft Gesetzes ausgeschlossen sei, sei sie kostenpflichtig. Der BGH hat deshalb dem Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
V. Bedeutung für die Praxis
Die – zutreffende – Entscheidung des BGH gibt Anlass, einen Blick auf die verschiedenen Wertfestsetzungsverfahren zu werfen. Deren gibt es nämlich drei verschiedene, die in der Praxis immer wieder verwechselt werden.
1. Zuständigkeits- und Zulässigkeitsstreitwert
In manchen Fällen hängt die Zuständigkeit des Gerichts von dem Erreichen eines bestimmten Wertes ab. Dies gilt auch für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, etwa für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde (§ 567 Abs. 2 ZPO), für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder für die Zulässigkeit der Berufung (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Dieser Wert wird von dem Prozessgericht gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festgesetzt, wobei die nachfolgend in der ZPO aufgeführten Streitwertvorschriften einschlägig sind.
Ein besonderes Verfahren für die Wertfestsetzung ist gesetzlich nicht bestimmt, sodass der Zuständigkeits- oder Zulässigkeitsstreitwert im Tenor oder in den Gründen der Hauptsacheentscheidung, in einem besonderen Beschluss oder in einem Verweisungsbeschluss nach § 281 ZPO festgesetzt werden kann. Die Wertfestsetzung in dem Urteil kann nur zusammen mit der Hauptsacheentscheidung angefochten werden. Erfolgt die Wertfestsetzung im Verweisungsbeschluss, ist diese gem. § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO grds. unanfechtbar. Ist der Streitwert nur zur Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit durch gesonderten Beschluss nach § 329 ZPO festgesetzt worden, kommt eine Anfechtung ebenfalls nicht in Betracht (s. hierzu Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., 2022, § 3 ZPO Rn 7).
Gleichwohl gibt es für die Beteiligten keine Rechtsschutzlücke. Denn das Rechtsmittelgericht ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des von einem Zulässigkeitsstreitwert abhängigen Rechtsmittels an die vorinstanzliche Wertfestsetzung nicht gebunden (s. BGH NJW-RR 2005, 210). Dies gilt auch für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde. Auch dort findet eine Bindung des BGH an die Wertfestsetzung seitens des Berufungsgerichts nicht statt (BGH NJW-RR 2013, 1401; BGH AGS 2016, 182 = zfs 2016, 404 m. Anm. Hansens = RVGreport 2016, 229 [Hansens]; BGH ZInsO 2020, 440).
Folglich war hier die Verfahrensweise des Beklagten von Anfang an sinnlos. Selbst im höchst unwahrscheinlichen Fall des Erfolges der Streitwertbeschwerde hätte dies lediglich Einfluss auf die Berechnung der gerichtlichen Verfahrensgebühr gehabt, die dann eben nach einem höheren Streitwert berechnet worden wäre. Auf die Zulässigkeit eines etwa einzulegenden Rechtsmittels, wie einer Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 544 ZPO, hätte dies keinen Einfluss ...