Das LG Göttingen hat – soweit bekannt als erstes zweitinstanzliches Gericht – der h.A. folgend eine pauschale Kürzung der ersten 10 Zustellungen zugesprochen. Seit dem 1.1.2021 ist ein Streit darüber entbrannt, ob im Rahmen der übertragenen Zustellungen auf den Insolvenzverwalter bei dessen geltend gemachten Auslagen für die Zustellungen ein Abzug der ersten 10 Zustellungen vorzunehmen ist oder nicht. Die Frage, ob Zustellauslagen zu gewähren sind oder nicht, insbesondere deren "Höhe", wurde zwar durch das SanInsFoG zum 1.1.2021 "endlich" geklärt. In § 4 Abs. 2 InsVV wurde seither ein Verweis auf Nr. 9002 GKG KV eingefügt. Damit ist zwar der Ansatz von 3,50 EUR pro Zustellung "klar". Streitig wurde aber neu die Frage gestellt, ob eine Honorierung bereits ab der 1. Zustellung erfolgen muss oder nicht. Nr. 9002 GKG KV lautet:
Zitat
"Neben Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit Ausnahme der Gebühr 3700, wird die Zustellungspauschale nur erhoben, soweit in einem Rechtszug mehr als 10 Zustellungen anfallen. Im erstinstanzlichen Musterverfahren nach dem KapMuG wird die Zustellungspauschale für sämtliche Zustellungen erhoben."
Zum anderen "widerlegt" das LG Göttingen den teilweise in der Rspr. verfolgten Ansicht (s. z.B. AG Potsdam, AGS 2022, 189) wonach mit der Neuregelung der Zustellauslagen nur noch ein Ansatz selbiger denkbar sei, wenn sich der Insolvenzverwalter für den Einzelansatz entscheide. Das AG Göttingen wie auch das AG Potsdam (AGS 2022,189) sahen in der Neuregelung eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, nur noch einen pauschalen Ansatz oder einen Einzelansatz der Auslagen zuzulassen, da z.B. bei der Vermögensschadenshaftpflicht eine bekannte Regelungslücke explizit geregelt, bei den Zustellauslagen hingegen nicht geregelt wurde. Das LG Göttingen setzt daher auch zweitinstanzlich einen Marker zugunsten der Verwalter, indem es ein "nebeneinander" der normalen Pauschale neben den besonderen Zustellauslagen zugesteht. Allerdings spricht sich das LG Göttingen ebenfalls (der h.A. folgend) auch für einen rigorosen Abzug der ersten 10 Zustellungen aus, folgt damit nicht der teilweise in der Rspr. vertretenen Ansicht, wonach die 10 Zustellungshürde nur eine Bagatellgrenze darstelle, bei deren Überschreiten "insgesamt" alle Zustellauslagen zu erstatten seien.
Für eine generelle Absetzung |
Für einen denkbaren Ansatz, insbesondere ab 11. Zustellungen |
Wahlrecht: entweder Pauschale (inkl. aller Zustellungen) oder Einzelansatz |
Abzug der ersten 10 Zustellungen |
Zustellungen 1–10 "ab der 11. Zustellung", da die Grenze eine Bagatellgrenze bilde, ab deren Überschreiten "alle" Zustellungen gesondert ansatzfähig sind |
Entweder Einzelansatz aller Auslagen, auch der Zustellauslagen (dann sind die ersten 10 "frei"), oder Pauschale ohne gesonderte Zustellauslagen |
AG Norderstedt, Beschl. v. 21.12.2021 – 65 IK 27/21, AGS 2022, 138 |
AG Karlsruhe, Beschl. v. 8.10.2021 – 30 IK 31/21, AGS 2022, 85 |
AG Potsdam, Beschl. v. 30.12.2021 – 6.50 IK 110/21, AGS 2022, 189 |
AG Ludwigshafen, Beschl. v. 14.2.2022 – 3b IK 26/21 Lu, AGS 2022, 135 |
Graeber/Graeber, InsVV-Online, § 4 Rn 31 |
|
AG Leipzig, Beschl. v. 21.12.2021 – 401 IK 351/21 |
AG Stade, Beschl. v. 10.1.2022 – 73 IK 106/21, AGS 2022, 84 |
|
AG Hamburg ZVI 2022, 86, 87 |
|
|
AG Dresden, Beschl. v. 24.1.2022 – 549 IK 920/21 |
|
|
LG Göttingen, Beschl. v. 25.2.2022 – 10 T 55/22 |
|
|
Dipl.-RPfleger Stefan Lissner, Konstanz
AGS 7/2022, S. 319 - 321