§ 4 Abs. 2 S. 2 InsVV; § 8 Abs. 3 InsO; Nr. 9002 GKG KV
Leitsatz
- Durch die Neuregelung in § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV wird ein einheitlicher Satz von 3,50 EUR festgelegt.
- Neben der Pauschale des § 8 Abs. 3 InsVV können auch die Zustellkosten vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.
- Der Insolvenzverwalter hat jedoch nur Anspruch auf Erstattung der Auslagen für die Zustellungen, soweit diese die Anzahl von 10 Zustellungen übersteigen.
LG Göttingen, Beschl. v. 25.2.2022 – 10 T 55/21
I. Sachverhalt
Mit Beschl. v. 3.2.2021 hat das AG das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet, der Schuldnerin gleichzeitig die Stundung der Verfahrenskosten bewilligt sowie einen Insolvenzverwalter bestellt. Das Gericht hat den Insolvenzverwalter mit der Durchführung der Zustellungen gem. § 8 Abs. 3 InsO beauftragt. Der Insolvenzverwalter hat am 5.10.2021 den Schlussbericht eingereicht, gleichzeitig hat er die Festsetzung seiner Vergütung beantragt. Dabei hat er die Mindestvergütung i.H.v. 1.120,00 EUR zzgl. einer Erhöhung für 7 weitere Gläubiger i.H.v. 420,00 EUR beantragt. Ferner macht er die Auslagenpauschale gem. § 8 Abs. 3 InsVV i.H.v. 231,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer geltend. Daneben hat der Insolvenzverwalter für die Durchführung von 84 Zustellungen die Festsetzung eines Betrags von 294,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer i.H.v. 55,86 EUR beantragt. Dabei hat er pro Zustellung einen Betrag von 3,50 EUR angesetzt.
Das AG hat mit Beschl. v. 26.11.2021 die Vergütung des Insolvenzverwalters auf insgesamt 2.107,49 EUR festgesetzt. Dabei hat es die Auslagen des Insolvenzverwalters für 84 Zustellungen (294,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer) nicht anerkannt. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, für die ab dem 1.1.2021 eröffneten Verfahren könne der Insolvenzverwalter bei den betreffenden Auslagen zwischen der Einzelabrechnung oder einer Auslagenpauschale wählen. Sofern er die Auslagenpauschale wähle, komme eine zusätzliche Erstattung der Zustellungsauslagen nicht in Betracht, da der Gesetzgeber nicht normiert habe, dass diese Kosten zusätzlich zur Pauschale erstattungsfähig sein sollen. Dies sei zwar nach der Rechtslage für die vor dem 1.1.2021 eröffneten Verfahren aufgrund der Rspr. des BGH bejaht worden. Diese Rspr. sei jedoch nicht ohne Weiteres auf die Neuverfahren übertragbar, da der Gesetzgeber eine bis dahin nicht vorliegende gesetzliche Regelung geschaffen habe. Insoweit sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die zusätzliche Erstattbarkeit in das Gesetz aufgenommen hätte, wenn er davon ausgegangen wäre, dass die Auslagen für die Zustellungen zusätzlich zu der Pauschale zu erstatten seien.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Insolvenzverwalter mit der sofortigen Beschwerde. Er meint, originär handele es sich bei den Zustellungen um Aufgaben des Gerichts, sodass die Staatskasse der wahre Kostenschuldner sei. Keinesfalls sei durch § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV n.F. eine Änderung dahin gewollt, dass dem Insolvenzverwalter die Auslagen für die Zustellung nicht mehr zu erstatten seien.
Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer des LG zur Entscheidung vorgelegt. Dieses gab dem Insolvenzverwalter insoweit Recht, dass neben der Pauschale zusätzlich Zustellkosten anfallen und zu erstatten sind, jedoch erst ab der 11. Zustellung.
II. Neuregelung zum 1.1.2021
Mit Wirkung zum 1.1.2021 ist § 4 Abs. 2 InsVV durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG v. 22.12.2020, BGBl I, 3256) dahingehend angepasst worden, dass hinsichtlich der Höhe der Zustellauslagen eine Bezugnahme auf Nr. 9002 GKG KV etabliert wurde. Auf das Verfahren des LG Göttingen finden danach Vorschriften der InsVV in der Fassung v. 22.12.2020 (BGBl I 2020, 3328) Anwendung, da der Insolvenzantrag nach dem 1.1.2021 gestellt worden ist. Nach § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV gilt daher Nr. 9002 GKG KV entsprechend, wenn dem Insolvenzverwalter die Zustellungen i.S.d. § 8 Abs. 3 InsO übertragen worden sind.
III. Pauschale und zusätzlich Zustellauslagen
Seit der Entscheidung des BGH v. 21.12.2006 (IX ZB 129/05) war in der Rspr. anerkannt, dass der Insolvenzverwalter, dem die Zustellungen übertragen worden waren, neben der allgemeinen Auslagenpauschale auch die Kosten für die Zustellung geltend machen konnte. Insoweit war jedoch umstritten, in welcher Höhe die Kosten je Zustellung festzusetzen waren. Durch die Neuregelung in § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV wird ein einheitlicher Satz von 3,50 EUR festgelegt. Aus der Neuregelung folgt jedoch nicht, dass entweder die konkreten Zustellungskosten gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 InsO oder aber die Auslagenpauschale gem. § 8 Abs. 3 InsVV vom Insolvenzverwalter gefordert werden kann.
Die Vorinstanz (AG Göttingen) sah hingegen einen Systemwechsel der durch die Neuregelung stattgefunden haben soll, indem die InsVV nun entsprechend dem gemeinsamen Vorschlag von NIVD und VID die Kosten in gleicher Weise behandelt wie andere Kosten eines Insolvenzverwalters aus dem Verfahren i.S.v. § 4 Abs. 2 InsVV, als da beispielsweise wären ...