§§ 103 ff., 294 ZPO
Leitsatz
- Hat der Erstattungsberechtigte zunächst die Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geltend gemacht und erklärt, zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, steht die Rechtskraft des daraufhin ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses der Nachfestsetzung der Umsatzsteuer nicht entgegen.
- Es kann offenbleiben, ob für die Nachfestsetzung die Angabe des Erstattungsberechtigten ausreicht, er könne die Beträge doch nicht als Vorsteuer abziehen. Jedenfalls genügt zur Glaubhaftmachung die Vorlage eines Schreibens des Steuerberaters des Erstattungsberechtigten.
- Hat der Erstattungsberechtigte auf diese Weise glaubhaft gemacht, dass er zu 97,74 % zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ist auf den Nachfestsetzungsantrag ein Umsatzsteuerbetrag i.H.v. 97,74 % der gesamten Umsatzsteuer festzusetzen.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.4.2023 – 6 W 6/23
I. Sachverhalt
Die Beklagte zu 1, ein Wohnungsunternehmen, hatte aufgrund der zu ihren Gunsten ergangenen Kostenentscheidung des OLG Brandenburg die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der auf die Gebühren und Auslagen ihres Prozessbevollmächtigten entfallenden Umsatzsteuer beantragt. Mit Schriftsatz vom 13.5.2022 hatte sie die Umsatzsteuer nicht mehr geltend gemacht und hierzu erklärt, zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein. Hieraufhin hat der Rechtspfleger des LG Frankfurt (Oder) dem Kostenfestsetzungsantrag durch Beschl. v. 2.6.2022 ohne die Umsatzsteuer entsprochen.
Nach Rechtskraft dieses Kostenfestsetzungsbeschlusses hat die Beklagte zu 1 mit ihrem Antrag vom 16.9.2022 die Nachfestsetzung der auf die Gebühren und Auslagen ihres Prozessbevollmächtigten nach Nr. 7008 VV berechneten Umsatzsteuer i.H.v. 413,44 EUR beantragt. Hierzu hat sie erklärt, sie sei – entgegen ihren vorherigen Angaben im Kostenfestsetzungsverfahren – nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Der Rechtspfleger des LG Frankfurt (Oder) hat dem Nachfestsetzungsantrag durch weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4.11.2022 in vollem Umfang entsprochen.
Hiergegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt. Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu 1 mit Schriftsatz vom 29.3.2023 ein Schreiben ihres Steuerberaters vom 24.3.2023 vorgelegt, wonach sie zu 97,74 % zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Das OLG Brandenburg hat der sofortigen Beschwerde der Klägerin insoweit stattzugeben, als es statt des ursprünglich beantragten und im Nachfestsetzungsbeschluss berücksichtigten Umsatzsteuerbetrages von 413,44 EUR nunmehr einen Anteil von 97,74 %, mithin 404,10 EUR festgesetzt hat. Die weitergehende sofortige Beschwerde hat das OLG Brandenburg zurückgewiesen.
II. Zulässigkeit der Nachfestsetzung
Nach Auffassung des OLG Brandenburg war die Nachfestsetzung zulässig, da diese der Rechtskraft des ersten Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht entgegensteht. Die Beklagte zu 1 habe nämlich in ihrem ersten Kostenfestsetzungsantrag Umsatzsteuer auf ihre außergerichtlichen Kosten mit dem Hinweis auf ihre Vorsteuerabzugsberechtigung nicht geltend gemacht. Deshalb habe der Rechtspfleger auch keinen Anlass gehabt, über die Umsatzsteuer zu entscheiden. Eine Nachfestsetzung sei nur hinsichtlich der Kostenpositionen unzulässig, über die bereits im ersten Kostenfestsetzungsbeschluss entschieden worden sei (s. OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG Hamburg JurBüro 2010, 596; OLG Stuttgart RVGreport 2009, 312 [Hansens]). Das war hier nicht der Fall.
III. Nachfestsetzung der Umsatzsteuer
1. Erklärung der Beklagten zu 1
Gem. § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO genügt zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen die Erklärung des Antragstellers (hier: der Beklagten zu 1), dass er (sie) die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann. Das OLG Brandenburg hat dahinstehen lassen, ob allein eine solche Erklärung auch dann genügt, wenn der Antragsteller zu seiner Vorsteuerabzugsberechtigung widersprüchliche Angaben gemacht hat. Die Beklagte zu 1 habe nämlich in ihrem ersten Kostenfestsetzungsantrag erklärt, zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein. Die im Nachfestsetzungsantrag abgegebene Erklärung habe sie folglich im Widerspruch zu ihren ersten Angaben gemacht. Darauf kam es nach Auffassung des OLG Brandenburg jedoch deshalb nicht an, weil die Beklagte zu 1 während des Beschwerdeverfahrens ein Schreiben ihres Steuerberaters vorgelegt hatte, wonach sie zu 97,74 % zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Damit habe sie den Anforderungen des § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO, wonach zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist, entsprochen.
2. Vorsteuerabzugsberechtigung der Beklagten zu 1
Im Anschluss an diese Ausführungen ist das OLG Brandenburg in umsatzsteuerrechtliche Fragen eingestiegen. Das OLG hat darauf verwiesen, dass gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen könne. Gem. § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG sei der Vorsteuerabzug für Leistungen ausgeschlossen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwende. Gem. § 4 Nr. 1...