Auch ein dritter Vergleich soll verdeutlichen, dass eine stringente Anwendung der Durchführungsbestimmungen zu § 90 SGB XII zu ungleichen Ergebnissen führen kann.
Beispiel 1 (stark vereinfacht!)
Die bedürftige 80jährige Rentnerin Marlies Mustermann erhält monatlich eine Rente von 1.250,00 EUR. Sie lebt in einer kleinen Wohnung auf dem Land. Hierfür entrichtet sie einen Mietzins von 500,00 EUR. Heizung und sonstige anrechenbaren Leistungen betragen monatlich 150,00 EUR. Der Freibetrag gem. den aktuellen PKH-Bekanntmachung beträgt 552,00 EUR. Weitere abzugsfähigen Posten hat sie nicht. Da ihr nicht viel zum Leben bleibt, konnte sie auch kein Guthaben ansparen. Mit einem Rechtsproblem wendet sie sich hilfesuchend an einen Rechtsanwalt.
Im Beispiel zeigt sich, dass bei Anwendung der Freibeträge und entsprechender Berechnung ein verbleibendes Resteinkommen von 48,00 EUR verbleibt. Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG wird Beratungshilfe dann gewährt, wenn der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann. § 1 Abs. 2 BerHG verweist hierbei auf die Bestimmungen des PKH-Rechts. Nur wenn die Voraussetzungen zur Gewährung von ratenfreier PKH vorliegen, wird Beratungshilfe gewährt.
Die Ermittlung des einzusetzenden Einkommens sowie die Frage, ob Raten zu zahlen wären, orientiert sich an § 115 ZPO. Dieser legt fest, inwieweit der hilfsbedürftige Rechtsuchende sein Einkommen und sein Vermögen für die Beratungshilfekosten einzusetzen hat, die ihm voraussichtlich entstehen werden. Beratungshilfe wird final dann nur gewährt, wenn das ermittelte einzusetzende Einkommen weniger als 20,00 EUR beträgt, die Berechnung des hälftigen verbleibenden Resteinkommens nach den Bestimmungen der §§ 114 ff. ZPO daher unter 10,00 EUR verbleibt (und somit keine Ratenzahlung zu erfolgen hätte) und kein verwertbares Vermögen vorhanden ist. Die Berechnung der Ratenhöhe erfolgt dadurch, dass das ermittelte Resteinkommen halbiert wird und die sich so ergebende Monatsrate auf volle Euro abgerundet wird. Vorliegend würde im Ergebnis eine PKH mit Ratenzahlung angeordnet werden, da das verbleibende Resteinkommen über 20,00 EUR liegt. Bei der Berechnung gibt es nach allg. Anschauung auch keine Härteklausel. Folglich käme es im obigen Beispielsfall nicht zur Beratungshilfe.
Beispiel 2 (stark vereinfacht!)
Die bedürftige 80jährige Rentnerin Marlies Mustermann erhält monatlich eine Rente von 1.200,00 EUR (also nur 50,00 EUR weniger als im obigen Beispiel). Sie lebt in einer kleinen Wohnung auf dem Land. Hierfür entrichtet sie einen Mietzins von 500,00 EUR. Heizung und sonstige anrechenbaren Leistungen betragen monatlich 150,00 EUR. Der Freibetrag gem. den aktuellen PKH-Bekanntmachungen beträgt 552,00 EUR. Weitere abzugsfähigen Posten hat sie nicht. Aufgrund glücklicher Umstände (Schenkung/Erbschaft/bessere Zeiten usw.) verfügt die Rechtsuchende über 10.000,00 EUR. Mit einem Rechtsproblem wendet sie sich hilfesuchend an einen Rechtsanwalt.
In diesem Beispiel zeigt sich, dass bei nur geringfügig weniger Einkommen die Bedürftigkeit bejaht werden wird. Dieselbe Berechnung ergibt nun, dass eine Ratenzahlung ausscheidet, demzufolge Beratungshilfe in Betracht kommt.
Gleichwohl führen beide Beispiele zu einem unbilligen Ergebnis. Während im ersten Beispiel ein kaum merkliches Mehreinkommen vorliegt, kommt eine Bewilligung von Beratungshilfe nicht in Betracht, obwohl man "gefühlt" von einer Bedürftigkeit ausgehen wird. Im zweiten Beispiel verdient die Rechtsuchende zwar weniger, verfügt aber über ein "sattes" Vermögenspolster. Gleichwohl bekommt sie Beratungshilfe.