1. Gestaffelte Wertfestsetzungen sind unzulässig
Gestaffelte Streitwertfestsetzungen sind unzulässig. Dies gilt nicht nur in der Zivilgerichtsbarkeit, sondern auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und, soweit dort nach dem Streitwert abgerechnet wird, auch in der Sozialgerichtsbarkeit.
Für die Zivilgerichtsbarkeit u.a.:
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OLG Nürnberg NJW 2022, 951 = MDR 2022, 398 = JurBüro 2022, 256; |
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OLG München AGS 2017, 336 = MDR 2017, 243 = NJW-RR 2017, 700; |
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OLG Bremen AGS 2022, 92 = JurBüro 2022, 141 = NZFam 2022, 180 = NJW-Spezial 2022, 92; |
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OLG Schleswig NJW-RR 2022, 931 = JurBüro 2022, 309; |
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LG Mainz AGS 2018, 571 = NJW-Spezial 2018, 701; |
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LG Stendal AGS 2019, 228 = NJW-RR 2019, 703 = JurBüro 2019, 368. |
Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit:
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OVG Bautzen AGS 2022, 572. |
Für die Sozialgerichtsbarkeit:
Für das Verfahren im Allgemeinen fällt grds. nur eine einzige Verfahrensgebühr an. Diese beträgt im Zivilprozess erstinstanzlich 3,0 (Nr. 1210 GKG KV) oder 1,0 (Nr. 1211 GKG KV). Es bleibt aber bei einer einzigen Gebühr.
Gibt es aber nur eine einzige Gebühr, dann kann es für diese eine Gebühr auch nur einen einzigen Wert geben. Wie soll eine einzige Gebühr nach unterschiedlichen Werten abgerechnet werden? Soll etwa die Hälfte der Gebühr nach dem einen Wert und die andere Hälfte nach dem anderen Wert abgerechnet werden?
Das OLG Brandenburg (Beschl. v. 19.1.2018 – 15 WF 258/17) geht daher sogar so weit, dass es solchen gestaffelten Wertfestsetzungen eine Bindungswirkung abspricht.
Zutreffend ist es, den Streitwert nach der Summe aller Forderungen, die innerhalb eines Prozesses erhoben werden, zu bemessen (OLG Koblenz AGS 2007, 151 = WuM 2006, 45; KG AGS 2008, 188 = MDR 2008, 173 = JurBüro 2008, 148; OLG Celle AGS 2015, 453 = MDR 2015, 912 = NJW-Spezial 2015, 605).
2. Beschwerde
Gegen eine solche unzulässige Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde gegeben.
Zutreffenderweise ergibt sich die Beschwer bereits daraus, dass gar keine ordnungsgemäße Streitwertfestsetzung vorliegt. Folgt man der Auffassung des OLG Brandenburg (Beschl. v. 19.1.2018 – 15 WF 258/17), dann hat die gestaffelte Wertfestsetzung keine Bindungswirkung. Es fehlt damit an einer Wertfestsetzung. Fehlt es aber an einer Wertfestsetzung, dann kann der Anwalt diese beantragen und gegen das Unterlassen einer ordnungsgemäßen Wertfestsetzung nach § 32 Abs. 2 RVG vorgehen. Von daher wäre hier m.E. die Beschwerde gegeben gewesen.
Dass das Gericht dies hier nicht erkannt hat, beruht möglicherweise darauf, dass der Beschwerdeführer seine Beschwerde nicht zutreffend begründet hat, indem er sich nur auf seine Terminsgebühr konzentriert hat.
3. Abänderungsbefugnis
Unabhängig davon, ob die Beschwer gegeben ist, kann das Ausgangsgericht immer innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 63 Abs. 2 GKG seine fehlerhafte Wertfestsetzung ändern und einen einheitlichen Wert festsetzen. Damit ist der Beschwerde abgeholfen und das Ziel ist erreicht.
Lehnt das Ausgangsgericht – wie hier – eine Abhilfe ab, muss es die Beschwerde dem Beschwerdegericht vorlegen, und zwar auch dann, wenn es der Auffassung ist, die Beschwerde sei unzulässig. Das Ausgangsgericht hat keine Kompetenz, eine Streitwertbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Diese Kompetenz liegt ausschließlich beim Beschwerdegericht.
Ist das Beschwerdegericht der Auffassung – wie hier –, dass die Beschwerde unzulässig sei, so ist umstritten, ob das Beschwerdegericht dann von seiner Möglichkeit nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 GKG Gebrauch machen darf.
Hier wird zum Teil die Auffassung vertreten, eine Abänderung bei unzulässiger Beschwerde sei nicht statthaft, weil damit die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde unterlaufen würden (OLG Köln AGS 2020, 131 = JurBüro 2019, 464). Diese Auffassung ist jedoch nicht zutreffend. Im Gegensatz zu einer zulässigen Beschwerde muss das Beschwerdegericht nicht über die Wertfestsetzung entscheiden; vielmehr steht es im Ermessen des Gerichts, ob es eine aus seiner Sicht unzutreffende erstinstanzliche Wertfestsetzung von Amts wegen abändert. Hinzu kommt, dass über allem der Grundsatz der Streitwertwahrheit steht. Wenn ein Rechtsmittelgericht, das mit der Sache befasst ist – und das ist es auch mit einem unzulässigen Rechtsmittel – erkennt, dass der Streitwert falsch ist, muss es diesen korrigieren (OLG Celle AGS 2010, 143 = JurBüro 2010, 88; LAG Düsseldorf AGS 2017, 412 = JurBüro 2017, 311). Insoweit besteht auch kein Verschlechterungsverbot. Das Gericht kann auch zum Nachteil der Parteien den Streitwert abändern.
4. Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 33 RVG
Häufig wird für eine gestaffelte Wertfestsetzung als Argument angeführt, dass man ja für die Anwaltsgebühren wissen müsse, wie diese sich berechnen, denn hier sei es im Gegensatz zu den Gerichtsgebühren auch möglich, dass mehrere Gebühren anfallen und diese sich nach unterschiedlichen Werten richten. Diese Argumentation greift allerdings auch nicht. Wenn sich der Gegenstandswert anwaltlicher Gebühren nicht nach dem ...