§ 63 GKG; § 33 RVG
Leitsatz
- Der Gebührenstreitwert ist in einem Klageverfahren einheitlich nach dem Wert eines jeden Streitgegenstandes zum Zeitpunkt seiner Anhängigkeit zu bestimmen. Bei der Wertfestsetzung für die einheitliche gerichtliche Verfahrensgebühr ist deshalb eine nach Verfahrensabschnitten oder Zeiträumen gestaffelte Festsetzung nicht veranlasst.
- Soweit bei den Rechtsanwaltsgebühren unterschiedliche Werte für einzelnen Gebühren maßgeblich sein können, erfolgt – allerdings nur auf Antrag – eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 RVG.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.1.2023 – 6 W 73/22
I. Sachverhalt
Das LG hatte den Streitwert für die Gerichtsgebühren erster Instanz auf "19.833 EUR bei Klageerhebung und 17.736,74 EUR zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung" festgesetzt. Gegen die Festsetzung des gesonderten, niedrigeren Betrages für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers aus eigenem Recht Beschwerde eingelegt. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Festsetzung sei insoweit rein informatorisch erfolgt, da der Streitwert für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für die Gerichtskosten ohne Bedeutung sei. Das OLG hat die Beschwerde als unzulässig verworfen, da der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 200,00 EUR nicht erreicht war; gleichzeitig hat es aber gem. § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG von Amts wegen den Streitwert abgeändert und einheitlich festgesetzt.
II. Unzulässigkeit der Beschwerde
Die nach § 32 Abs. 2 RVG, § 68 GKG an sich statthafte Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers war als unzulässig zu verwerfen, weil – falls überhaupt eine Beschwer der Rechtsanwälte anzunehmen wäre – jedenfalls der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,01 EUR nicht übersteigt, § 68 Abs. 1 S. 1 GKG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach der im Rahmen der erstrebten Abänderung der Wertfestsetzung in Betracht kommenden Vergütungsdifferenz bei der anwaltlichen Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV zzgl. Mehrwertsteuer. Diese Differenz liegt unterhalb von 200,01 EUR.
III. Abänderung von Amts wegen
1. Keine "informatorische" Festsetzung
Die landgerichtliche Wertfestsetzung war allerdings gem. § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen abzuändern, denn sie ist insoweit fehlerhaft, als das LG "informatorisch" einen Teilwert zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung festgesetzt hat. Für eine "informatorische" Festsetzung eines Wertes im Rahmen der Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG bietet das Gesetz keine Grundlage. Von Amts wegen festzusetzen ist nach § 63 Abs. 2 GKG der zur Bemessung der wertabhängigen Gerichtsgebühr maßgebende Gebührenstreitwert.
2. Einheitliche Festsetzung
Der Streitwert ist in einem Klageverfahren – wie das LG im Grundsatz richtig erkannt hat – einheitlich nach dem Wert eines jeden Streitgegenstandes zum Zeitpunkt der Anhängigmachung zu bestimmen (§§ 39, 40 GKG). Bei der Wertfestsetzung für die einheitliche gerichtliche Verfahrensgebühr ist deshalb eine nach Verfahrensabschnitten oder Zeiträumen gestaffelte Festsetzung nicht veranlasst (vgl. dazu auch OLG München, Beschl. v. 13.12.2016 – 15 U 2407/16, AGS 2017, 336; OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.1.2022 – 2 W 4619/21; OLG Dresden, Beschl. v. 19.7.2022 – 12 W 367/22, AGS 2022, 563, jeweils juris m.w.N.).
IV. Abweichende Wertfestsetzung nach § 33 RVG
Soweit bei den Rechtsanwaltsgebühren unterschiedliche Werte für einzelnen Gebühren maßgeblich sein können, erfolgt – allerdings nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag – eine gesonderte Wertfestsetzung (§ 33 Abs. 1 und 2 RVG).
V. Bedeutung für die Praxis
1. Gestaffelte Wertfestsetzungen sind unzulässig
Gestaffelte Streitwertfestsetzungen sind unzulässig. Dies gilt nicht nur in der Zivilgerichtsbarkeit, sondern auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und, soweit dort nach dem Streitwert abgerechnet wird, auch in der Sozialgerichtsbarkeit.
Für die Zivilgerichtsbarkeit u.a.:
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OLG Nürnberg NJW 2022, 951 = MDR 2022, 398 = JurBüro 2022, 256; |
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OLG München AGS 2017, 336 = MDR 2017, 243 = NJW-RR 2017, 700; |
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OLG Bremen AGS 2022, 92 = JurBüro 2022, 141 = NZFam 2022, 180 = NJW-Spezial 2022, 92; |
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OLG Schleswig NJW-RR 2022, 931 = JurBüro 2022, 309; |
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LG Mainz AGS 2018, 571 = NJW-Spezial 2018, 701; |
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LG Stendal AGS 2019, 228 = NJW-RR 2019, 703 = JurBüro 2019, 368. |
Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit:
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OVG Bautzen AGS 2022, 572. |
Für die Sozialgerichtsbarkeit:
Für das Verfahren im Allgemeinen fällt grds. nur eine einzige Verfahrensgebühr an. Diese beträgt im Zivilprozess erstinstanzlich 3,0 (Nr. 1210 GKG KV) oder 1,0 (Nr. 1211 GKG KV). Es bleibt aber bei einer einzigen Gebühr.
Gibt es aber nur eine einzige Gebühr, dann kann es für diese eine Gebühr auch nur einen einzigen Wert geben. Wie soll eine einzige Gebühr nach unterschiedlichen Werten abgerechnet werden? Soll etwa die Hälfte der Gebühr nach dem einen Wert und die andere Hälfte nach dem anderen Wert abgerechnet werden?
Das OLG Brandenburg (Beschl. v. 19.1.2018 – 15 WF 258/17) geht daher sogar so weit, dass es solchen gestaffelten Wertfestsetzungen eine Bindungswirkung ...