§§ 8 Abs. 1, 11, 15 Abs. 1 RVG; §§ 151, 148 VwGO; § 80 AsylG
Leitsatz
- Der Vergütungsfestsetzungsantrag des Rechtsanwalts gem. § 11 Abs. 1 S. 1 RVG ist dann gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RVG zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Dies ist der Fall, wenn der Auftraggeber den Anwaltsvertrag gekündigt hat.
- Außergebührenrechtliche Einwendungen wie der Einwand der Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages können im Vergütungsfestsetzungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn sie vor dem Erlass des Festsetzungsbeschlusses vorgetragen worden sind.
VG München, Beschl. v. 15.2.2023 – M 32 M 21.31020
I. Sachverhalt
Die Klägerin hatte die Rechtsanwälte mit ihrer Vertretung im Asylstreitverfahren vor dem VG München beauftragt. Am 7.3.2019 haben die Rechtsanwälte Klage erhoben und Klageanträge gestellt. Mit Schriftsatz vom 27.3.2019 haben sie die Klage begründet. Mit E-Mail vom 29.5.2020 kündigte Rechtsanwältin S von der Anwaltskanzlei G im Auftrag der Klägerin gegenüber den Anwälten das Mandat und erklärte die Übernahme des Mandats. Hieraufhin haben die (aus dem Mandat ausgeschiedenen) Rechtsanwälte die Festsetzung ihrer Vergütung gem. § 11 RVG gegen die Klägerin beantragt. Der mit diesem Antrag befasste Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) hat die Klägerin hierzu gem. § 11 Abs. 2 S. 2 RVG angehört. Die Klägerin hat sich nicht geäußert. Nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme hat der UdG die Vergütung zugunsten der aus diesem Verfahren als Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeschiedenen Rechtsanwälte festgesetzt.
Innerhalb der hierfür zwei Wochen betragenden Frist hat die Klägerin Erinnerung gem. § 11 Abs. 3 S. 2 RVG i.V.m. § 151 VwGO eingelegt. In ihrem Erinnerungsschreiben hat die Klägerin die Rüge der Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags erhoben. Der UdG hat der Erinnerung gem. § 11 Abs. 3 S. 2 RVG i.V.m. §§ 151 S. 2, 148 VwGO nicht abgeholfen und diese dem Gericht vorgelegt. Das VG München hat die Erinnerung zurückgewiesen.
II. Voraussetzungen der Vergütungsfestsetzung
Das VG München hat zunächst dargelegt, dass die formellen Voraussetzungen für die Festsetzung der Vergütung gem. § 11 Abs. 1 RVG erfüllt waren. Die Antragsteller hätten als frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin und jetzigen Antragsgegnerin in deren Auftrag das Asylstreitverfahren als Prozessbevollmächtigte geführt. Dementsprechend hätten die Rechtsanwälte die sich nach dem RVG berechnete Vergütung verdient. Das VG München hat darauf hingewiesen, dass die Gebühren nach dem RVG die Tätigkeit der bevollmächtigten Rechtsanwälte vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit pauschal abgelten würden, was sich aus § 15 Abs. 1 RVG ergebe.
Vorliegend sei die Vergütung auch fällig gewesen, was gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RVG Zulässigkeitsvoraussetzung für die Vergütungsfestsetzung ist. Da die Klägerin – vertreten durch ihre neue Prozessbevollmächtigte – das Mandat per E-Mail gekündigt habe, sei der Auftrag erledigt i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 erster Fall RVG.
III. Vergütungsanspruch
Nach den weiteren Ausführungen des VG München steht den Antragstellern als vormalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin die volle Vergütung nach dem RVG zu. Die im RVG vorgesehenen Gebühren würden pauschal deren Tätigkeit abgelten und differenzierten nicht nach dem inhaltlichen oder zeitlichen Ausmaß der anwaltlichen Tätigkeit oder der Zufriedenheit des Mandanten mit der anwaltlichen Tätigkeit. In Anwendung dieser Grundsätze haben die Rechtsanwälte nach Auffassung des VG die Gebühren – dies wird hier wohl nur die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV gewesen sein – in der Höhe korrekt angesetzt.
IV. Außergebührenrechtliche Einwendungen
Der Festsetzung der Vergütung steht nach den weiteren Ausführungen des VG München auch nicht entgegen, dass die Klägerin mit ihrer Erinnerung Einwendungen erhoben hat, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Sie hat nämlich die Rüge der Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages erhoben. Zwar sei – so das VG – bei Erhebung derartiger Einwendungen oder Einreden gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG die Vergütungsfestsetzung abzulehnen. Dies betreffe aber nur Einwendungen und Einreden, die vor dem Erlass des Festsetzungsbeschlusses vorgetragen worden seien. Hierfür habe gem. § 11 Abs. 2 S. 2 RVG im Rahmen der vorherigen Anhörung Gelegenheit bestanden, von deren Möglichkeit die Klägerin hier keinen Gebrauch gemacht habe.
V. Unanfechtbarkeit des Beschlusses
Am Ende seines Beschlusses hat das VG München ausgeführt, dass seine Entscheidung gem. § 80 AsylG unanfechtbar sei. Der Beschwerdeausschluss des § 80 AsylG gelte nämlich auch für gerichtliche Nebenentscheidungen wie kostenrechtliche Erinnerungsverfahren und die Beschwerde nach § 11 RVG.
VI. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des VG München bedarf einiger Anmerkungen.
1. Festsetzung der Gebühren
Zutreffend hat das VG München die Zulässigkeit der Vergütungsfestsetzung bejaht. Infolge der Kündigung des Anwaltsvertrages durch die hierzu von der Klägerin bevollmächtigte Rechtsanwältin war der Auftrag der Antragsteller erledigt und damit die Vergütung nach § 8 Abs. 1 S. 1 erster Fall RVG fällig. Damit war der Vergütungsfestsetzungsantrag gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RVG zulässig.
Ob die von dem UdG festgesetzte Vergütung in ...