Nr. 5115 VV RVG
Leitsatz
Die Befriedungsgebühr (Nrn. 4141, 5115 VV) entsteht auch, wenn die Einstellung im Hauptverhandlungstermin stattfindet und dadurch ein weiterer Fortsetzungstermin vermieden wird.
AG Herne-Wanne, Beschl. v. 7.6.2024 – 44 OWi 52 Js 120/24 (12/24)
I. Sachverhalt
Nach Einstellung des Bußgeldverfahrens in der Hauptverhandlung, wodurch ein Fortsetzungstermin vermieden worden ist, bestand Streit zwischen dem Vertreter der Landeskasse und dem Verteidiger des Betroffenen dahin gehend, ob die Gebühr Nrn. 5115, 5103 VV entstanden ist oder nicht. Der Verteidiger hat sie in Ansatz gebracht. Dagegen hat der Bezirksrevisor geltend gemacht, dass zwar grds. eine Befriedungsgebühr auch entstehe, wenn bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden habe, jedoch könne sie nicht anfallen, wenn die Einstellung im Hauptverhandlungstermin stattfinde. Der Verteidiger hatte demgegenüber darauf verwiesen, dass die Einstellung rechtzeitig vor Beginn einer ggf. terminierten Hauptverhandlung erfolgen muss. Dies sei hier gegeben, da durch die anwaltliche Mitwirkung eine Einstellung zustande gekommen und damit ein weiterer Hauptverhandlungstermin zur weiteren Zeugenvernehmung entbehrlich geworden sei. Das AG hat sich im Kostenfestsetzungsbeschluss dem Verteidiger angeschlossen.
II. Vermeidung eines Fortsetzungstermins genügt
Zur Begründung seiner Auffassung bezieht sich das AG darauf, dass bei der vom Bezirksrevisor zur Untermauerung seiner Auffassung angeführten Fundstelle aus BeckOK RVG/Knaudt, 63. Ed., Stand: 1.3.2024, VV 5115 Rn 7–12 gerade auf den Hintergrund des Normzwecks der Vorschrift der Nr. 5115 VV hingewiesen werde, wonach die h.M. nicht folgerichtig sei. Die Norm verfolge das Ziel, weitere Hauptverhandlungstermine möglichst zur Schonung der Ressourcen der Justiz zu verhindern, sofern dies der Rechtsfindung nicht abträglich ist. Es solle gerade der Anreiz geschaffen werden, dass ein Rechtsanwalt, der nachvollziehbar ein Interesse am Verdienen von Gebühren habe, Abstand davon nehme, lediglich aus gebührentaktischen Erwägungen mangels möglichen Einlenkens einen weiteren Verhandlungstermin erforderlich zu machen.
Hier ergebe sich aus einem Vermerk des Vorsitzenden, dass grds. noch ein weiterer Termin zur Vernehmung eines weiteren Zeugen angestanden hätte. Die Unterbrechung der Verhandlung habe also zielführend ergeben, dass eine Einstellung ohne die sonst erforderliche Vernehmung des weiteren Zeugen erfolgen konnte. Hierdurch werde die Landeskasse durch die in Rede stehende Gebühr nebst anteiliger Mehrwertsteuer zwar belastet. Diese falle jedoch geringer aus als eine weitere Terminsgebühr. Diese Verminderung gehe im Gegenzug zu Lasten des Rechtsanwalts, der in einem weiteren Termin ggf. eine höhere Gebühr hätte verdienen können. Dieses ausgleichende Moment entspreche dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Eine Entscheidung, die in ihrer Tendenz und Argumentation sicherlich zu begrüßen ist. Denn es ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 5115 VV – die Überlegung gilt ebenso für die weitgehend wortgleiche Nr. 4141 VV –, dass das Vermeiden eines neuen Hauptverhandlungstermins nach Aussetzung des Verfahrens zum Anfall der Nrn. 4141, 5115 VV führt, das Vermeiden eines Fortsetzungstermins hingegen nicht (vgl. auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 4141 VV Rn 45 unter Ziffer 14). Nur: Die h.M. in der Rspr. geht leider in die andere Richtung und verweigert die Gebühr (OLG Köln RVGreport 2006, 152 = AGS 2006, 339 m. zust. Anm. Madert; LG Leipzig, Beschl. v. 9.4.2024 – 13 Qs 118/24; LG Siegen AGS 2021, 29 = VRR 2/2021, 26 = Sonderheft StRR 5/2021, 19; AG Hannover RVGreport 2018, 458 = AGS 2018, 561; AnwK RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, VV 4141 Rn 54; Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl., 2023, VV 4100 Rn 23; Jungbauer, DAR 2008, 738). Das dürfte im Hinblick auf den Wortlaut der Vorschrift, wonach "die Hauptverhandlung" entbehrlich geworden sein muss, zutreffend sein. Ein Fortsetzungstermin ist nicht "die Hauptverhandlung".
2. Aber: Vielleicht ist ja jetzt die Diskussion noch einmal eröffnet. Denn der Bezirksrevisor wird die Entscheidung des AG im Zweifel nicht hinnehmen. Ich bin gespannt, wie sich die Rechtsmittelinstanz äußert.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 7/2024, S. 316 - 317