Ich kann der Entscheidung des BAG nicht in allen Punkten zustimmen.
1. Streitwertbeschwerde unstatthaft
Richtig ist die Entscheidung insoweit, als das BAG die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers als unstatthaft angesehen hat, weil eine Beschwerde an einen Obersten Gerichtshof des Bundes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist.
Ebenso zustimmen kann ich der Auffassung des BAG, dass die in § 68 Abs. 3 S. 1 GKG geregelte Gerichtsgebührenfreiheit nur für statthafte, nicht gesetzlich ausgeschlossene Beschwerden gilt. Folglich fällt in dem Beschwerdeverfahren im Falle ihrer Verwerfung die in Nr. 8614 GKG KV geregelte Verfahrensgebühr i.H.v. 55,00 EUR an.
2. Entscheidung durch das LAG
Nicht zutreffend ist m.E. die Auffassung des BAG, das LAG hätte sich einer Nichtabhilfeentscheidung nebst anschließender Vorlage an das BAG enthalten müssen und stattdessen die unstatthafte Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst als unzulässig verwerfen müssen. Eine Gesetzesvorschrift oder auch nur eine Gerichtsentscheidung für diese Auffassung führt das BAG nicht an. Im Gegenteil ergibt sich aus der vom BAG in demselben Satz seiner Entscheidungsgründe zitierten Entscheidung des BGH (AGS 2022, 323 [Hansens] = zfs 2022, 404 m. Anm. Hansens), dass der BGH über eine unstatthafte Streitwertbeschwerde in der Sache selbst entschieden und diese als unzulässig verworfen hat. Dies geht auch einher mit dem Gesetzeswortlaut. Nach § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 1 GKG hat das Gericht, das den Streitwertfestsetzungsbeschluss erlassen hat, der Beschwerde abzuhelfen, soweit es die Beschwerde für zulässig und begründet hält. I.Ü. hat das Gericht die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Hieraus folgt, dass das Ausgangsgericht, hier also das LAG Berlin-Brandenburg, keine Verwerfungskompetenz hat, wenn es die Beschwerde als unzulässig oder unstatthaft ansieht (NK-GK/N. Schneider, 3. Aufl., 2021, § 68 GKG Rn 81 und die st. Praxis des BGH). Damit hat das LAG Berlin-Brandenburg verfahrensrechtlich völlig richtig gehandelt.
3. Unrichtige Sachbehandlung
Da sich das BAG der st. Rspr. des BGH angeschlossen hat, dass die in § 68 Abs. 3 S. 1 GKG bestimmte Gerichtsgebührenfreiheit nur für statthafte, nicht gesetzlich ausgeschlossene Beschwerden gilt, führte dies an sich zum Anfall der Verfahrensgebühr nach Nr. 8614 GKG KV. Weil das BAG jedoch der Meinung gewesen ist, das LAG habe die Sache fehlerhaft behandelt, hat es angeordnet, dass Gerichtskosten für das Verfahren vor dem BAG gem. § 21 GKG nicht zu erheben sind.
Das BAG hat jedoch mit keinem Wort ausgeführt, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Nichterhebung dieser Gerichtskosten vorgelegen haben. Eine unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG liegt nach allgemeiner Auffassung nur dann vor, wenn das Gericht offensichtlich und eindeutig gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen hat und hierdurch Gerichtskosten angefallen sind, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären (s. NK-GK/Fölsch, a.a.O., § 21 GKG Rn 6 und 10). Das BAG erwähnt mit keinem Wörtchen, gegen welche gesetzliche Vorschrift das LAG bei der Vorlage der Beschwerde an das BAG verstoßen haben sollte. Vielmehr wird die Verfahrensweise – wie erörtert – durch § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 GKG ausdrücklich gestützt. Ferner ist dem BAG nicht aufgefallen, dass die angeblich fehlerhafte Sachbehandlung seitens des LAG nicht zum Anfall von Gerichtskosten geführt hätte. Zwar wäre vor dem BAG keine Gebühr nach Nr. 8614 GKG KV entstanden, wohl aber vor dem LAG Berlin-Brandenburg, wenn es – was das BAG für richtig angesehen hat – die Beschwerde selbst als unzulässig verworfen hätte. Folglich wäre bei der vom BAG für richtig erachteten Verfahrensweise von den Prozessbevollmächtigten der Kläger eine gleichhohe Verfahrensgebühr i.H.v. 55,00 EUR anzufordern gewesen.
Die Prozessbevollmächtigten der Kläger sind durch die Entscheidung des BAG, die § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 GKG sowie der st. Rspr. bspw. des BGH widerspricht, begünstigt worden, weil sie für die Verwerfung ihrer unzulässigen Streitwertbeschwerde weder vor dem LAG noch vor dem BAG Gerichtskosten zu tragen haben.
Dem BAG ist auch nicht aufgefallen, dass es mit seiner Entscheidung von der Rspr. bspw. des BGH (AGS 2022, 323 [Hansens] = zfs 2022, 404 m. Anm. Hansens) abgewichen ist, die die Verwerfungskompetenz beim Obersten Bundesgericht sieht.
Dem BAG sind somit in seiner nur wenige Zeilen umfassenden Entscheidung mehr Fehler unterlaufen, als es selbst dem LAG Berlin-Brandenburg vorgeworfen hat.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 7/2024, S. 332 - 334