§ 23 Abs. 2, Abs. 3 RVG; § 888 ZPO
Leitsatz
Der Gegenstandswert eines Zwangsgeldverfahrens zur Erzwingung einer Auskunft richtet sich nach dem vollen Wert des Auskunftsanspruchs und ist in einem Stufenverfahren mit 25 % des zu erwarteten Leistungsanspruchs zu bewerten.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.2.2024 – 20 WF 27/24
I. Sachverhalt
Das FamG hatte in einem Stufenverfahren auf Unterhalt den Antragsgegner durch Teilbeschluss zur Auskunft verpflichtet. Da er die Auskunft nicht erteilte, verhängte das FamG auf Antrag der Antragstellerin ein Zwangsgeld i.H.v. 600,00 EUR und setzte den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Vollstreckungsverfahren auf 1.800,00 EUR fest. Dagegen hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Beschwerde erhoben und eine Festsetzung auf 18.000,00 EUR beantragt. Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt, das den Gegenstandswert auf 4.500,00 EUR abgeändert hat.
II. Wertfestsetzung nach § 33 RVG zulässig
Die Voraussetzungen für eine Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG liegen vor.
Gem. § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert richten oder es an einem solchen Wert fehlt. Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist, § 33 Abs. 2 S. 1 RVG. Dies ist in der Regel mit der Erledigung des Auftrags oder mit der Beendigung des Auftrags der Fall, § 8 Abs. 1 S. 1 RVG.
Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf den Antrag, gegen den Antragsgegner zur Erfüllung der Verpflichtung gem. Nr. 1 des Teil-Anerkenntnis-Beschlusses ein Zwangsgeld festzusetzen, in einer besonderen Angelegenheit i.S.d. § 18 Nr. 13 RVG tätig geworden. Hierfür sehen die Kostenvorschriften keinen gerichtlichen Verfahrenswert vor, weil für die Anordnung von Zwangsmitteln in beiden Instanzen eine Festgebühr anfällt (Nrn. 1602, 1912 FamGKG KV; vgl. Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 6. Aufl., 2023, § 95 FamFG, Rn 37). In einem solchen Fall setzt das Gericht den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest (§ 33 Abs. 1 RVG). Der Antrag war zulässig, nachdem die Vergütung mit der Beendigung des Auftrags in der besonderen Angelegenheit "Zwangsvollstreckung" fällig geworden ist.
III. Wert der Hauptsache ist maßgebend
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers im Vollstreckungsverfahren ist auf 4.500,00 EUR festzusetzen.
In der Zwangsvollstreckung bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG; vgl. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 3 ZPO Rn 16.125). Dieser Wert orientiert sich nicht am Betrag des beantragten oder festgesetzten Zwangsgeldes, sondern am Vollstreckungsinteresse (OLG Celle, Beschl. v. 23.4.2009 – 13 W 32/09, OLGR Celle 2009, 657). Dieses ist zu schätzen (OLG München, Beschl. v. 10.3.2011 – 33 WF 430/11, FamRZ 2011, 1686, juris Rn 13). Er wird in der Regel dem Wert der Hauptsache entsprechen (HK-RVG/Walter Gierl, 8. Aufl., 2021, RVG § 25 Rn 23 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass "Hauptsache" im vorstehenden Sinne nicht der Leistungsanspruch, sondern der Auskunftsanspruch ist, da mit dem Zwangsgeld die Erfüllung des Auskunftsanspruchs durchgesetzt werden soll. Für einen Auskunftsantrag ist grds. ein Bruchteil der Hauptsache anzusetzen (OLG Karlsruhe Beschl. v. 14.11.2016 – 20 WF 168/16, BeckRS 2016, 117303 Rn 6, 7).
Vorliegend erachtet es der Senat für angemessen, den Verfahrenswert für das Auskunftsverlangen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragsgegnerin zur abschließenden Bemessung und Bezifferung ihres Unterhaltsanspruchs auf die Auskunft angewiesen ist, andererseits aber schon – möglicherweise aufgrund der früheren Auskünfte – eine einigermaßen konkrete Vorstellung über die Höhe des beanspruchten Unterhalts hat ("jedenfalls 1.500,00 EUR/Monat"), auf 25 % des behaupteten Leistungsanspruchs festzusetzen. Ausgehend von einem von der Antragsgegnerin erwarteten Unterhaltsanspruch i.H.v. jedenfalls 1.500,00 EUR/Monat ergibt sich für den Leistungsantrag ein Gegenstandswert von 18.000,00 EUR. 25 % hiervon betragen 4.500,00 EUR. In dieser Höhe ist auch das Interesse der Antragsgegnerin an der Zwangsvollstreckung zu bemessen.
IV. Bedeutung für die Praxis
Der Wortlaut des § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG ist eindeutig. Der Gegenstandswert richtet sich "nach dem Wert, den die zu erwirkende … Unterlassung für den Gläubiger hat". Entscheidend ist also das Erfüllungsinteresse des Gläubigers. Das wiederum entspricht dem vollen Wert des Auskunftsanspruchs (OLG Karlsruhe FamRZ 2017, 468). Ein Ermessen ist nicht eröffnet.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 7/2024, S. 331 - 332