§ 76 FamFG; § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1a ZPO; § 82 Abs. 2 SGB XII; § 3 Abs. 6 Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII
Leitsatz
- Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe bemessen sich die Fahrtkosten nach der in § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1a ZPO, § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII, § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII geregelten Fahrtkostenpauschale. Diese soll nicht die Gesamtkosten eines angemessenen Kraftfahrzeuges abdecken, sondern vielmehr die reinen Betriebskosten einschließlich der Steuern ausgleichen.
- Neben der Fahrtkostenpauschale können gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1a ZPO, § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung abgezogen werden.
OLG Hamm, Beschl. v. 23.1.2024 – II-6 WF 182/23
I. Sachverhalt
Dem Kindesvater wurde für das vor dem AG zugrundeliegende Kindschaftsverfahren für die 1. Instanz Verfahrenskostenhilfe (VKH) mit einer monatlichen Ratenzahlung i.H.v. 224,00 EUR ab dem 1.8.2023 bewilligt. Es wurden dabei ein monatliches Nettoeinkommen des Kindesvaters i.H.v. durchschnittlich 1.640,44 EUR und die folgenden Abzüge zugrunde gelegt:
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Freibetrag: 552,00 EUR, |
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Erwerbstätigenfreibetrag: 251,00 EUR, |
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Entfernungspauschale: 39,00 EUR, |
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Wohnkosten: 330,00 EUR, |
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Rückzahlung Landeskasse: 19,00 EUR. |
Gegen den Beschluss hat der Kindesvater sofortige Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, es seien darüber hinaus Heizkosten i.H.v. 180,00 EUR und weitere Nebenkosten i.H.v. 60,00 EUR zu berücksichtigen. Die Fahrtkosten seien zudem für eine Strecke von 7,5 km mit 82,50 EUR anzusetzen.
Der eingelegten Beschwerde wurde durch das AG teilweise abgeholfen. Die Heiz- und Nebenkosten i.H.v. insgesamt 240,00 EUR wurden berücksichtigt und eine Rate von nunmehr 85,00 EUR festgesetzt. Die Fahrtkosten seien dagegen nur mit einer Pauschale i.H.v. 5,20 EUR pro Kilometer und daher zutreffend mit 39,00 EUR bemessen.
Unter Hinweis auf die Entscheidung des 13. Familiensenats des OLG Hamm (FamRZ 2023, 716 m. Anm. Schürmann) hält der Kindesvater an seiner Auffassung fest, dass für die Fahrtkosten die Kilometerpauschale nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien zu berechnen seien.
Gem. § 76 Abs. 2 FamFG, §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 ZPO ist die sofortige Beschwerde des Kindesvaters statthaft und auch i.Ü. zulässig und hat in der Sache teilweisen Erfolg.
II. Abzug notwendiger Fahrtkosten, § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1a ZPO, § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII
Gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1a ZPO i.V.m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII können von dem zu ermittelnden einzusetzenden Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abgesetzt werden. Diese können, wenn sie über die eigenen Lebenshaltungskosten hinaus zur Berufsausübung auch erforderlich sind, berücksichtigt werden. Die VKH-Partei muss diese geltend machen, eine Berücksichtigung von Amts wegen erfolgt nicht. Neben dem zu berücksichtigenden Erwerbstätigenfreibetrag gem. § 115 Abs. 3 S. 3 Nr. 1b ZPO kann ein Abzug für berufsbedingte Aufwendungen in Form von notwendigen Fahrtkosten zur Arbeitsstätte erfolgen (Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2022, Rn 53).
Nach welchen Normen und in welcher Höhe die Aufwendungen für Fahrtkosten zu berücksichtigen sind, ist strittig: Nach der h.M. (BGH MDR 2012, 930; LAG Rostock AGS 2023, 420; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.1.2020 – 15 WF 12/20; Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Aufl., 2024, § 115 Rn 29; Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 53) sind die Fahrtkosten unter Anwendung des § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII zu ermitteln. Die VKH stellt eine Form der Sozialhilfe dar. Hiernach kann, sofern öffentliche Verkehrsmittel nicht vorhanden sind oder deren Benutzung im Einzelfall nicht zumutbar ist, also die Benutzung eines Pkw erforderlich erscheint, eine monatliche Pauschale i.H.v. 5,20 EUR pro Kilometer, maximal 40 km und monatlich höchstens mit 208,00 EUR angesetzt werden. Die Gegenansicht, auf die vorliegend auch der Kindesvater verweist (hier speziell auf die Entscheidung des OLG Hamm (13. Familiensenat) FamRZ 2023, 716; weitere Entscheidungen hierzu: OLG Schleswig FamRZ 2011, 1159, OLG Dresden FamRZ 2011, 911; OLG Celle NdsRpfl 2009, 103; so auch Musielak/Voit/Fischer, ZPO, 21. Aufl., 2024, § 115 Rn 15) orientiert sich dagegen an den Sätzen des § 5 Abs. 2 JVEG (0,35 EUR bzw. 0,42 EUR für jeden gefahrenen Kilometer) bzw. an den unterhaltsrechtlichen Leitlinien (derzeit 0,30 EUR pro Kilometer). Die unterhaltsrechtliche Kilometerpauschale schafft im Massengeschäft der VKH eine erhebliche und notwendige Vereinfachung, da hierdurch sämtliche Kosten (Versicherung, Neuanschaffung und Wartung/Reparaturen) mitumfasst werden und die bereits seit dem Jahr 1976 im Grundsatz nicht mehr veränderte Pauschale der Durchführungs-VO angesichts der allgemeinen Kostensteigerung den heutigen Gegebenheiten nicht mehr entspricht.
Die Gewährung von VKH ist wie bereits oben erwähnt eine Form der staatlich gewährten Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 23). Der Einkommen...