ZPO § 91
Leitsatz
Der Einwand der Verwirkung ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen.
OLG Braunschweig Beschl. v. 1.6.2018 – 1 WF 52/18
1 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
Dem von der Antragsgegnerin erhobenen Einwand, der Kostenerstattungsanspruch sei verwirkt, weil der Antragsteller seit der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung mit der Einreichung seines Kostenfestsetzungsantrages gut dreieinhalb Jahre zugewartet habe, ist der Rechtspfleger bei der Kostenfestsetzung zu Recht nicht gefolgt.
Mit der ganz h.M. vertritt der Senat die Auffassung, dass eine etwaige Verwirkung des Kostenerstattungsanspruchs – ebenso wie andere materiell-rechtliche Einwendungen – im Kostenfestsetzungsverfahren regelmäßig nicht zu prüfen ist (vgl. KG Rpfleger 1994, 385, Rn 5 m.w.N.; OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1228 Rn 7; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.5.2004 – 14 W 51/04, Rn 5 f., juris [= AGS 2005, 219]). Das Kostenfestsetzungsverfahren dient vom Ansatz her nur dazu, den in der vollstreckbaren Entscheidung enthaltenen Kostenausspruch der Höhe nach zu beziffern. Deswegen sind materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grds. nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme hiervon kommt nur dann in Betracht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen einer Einwendung unstreitig sind oder zweifelsfrei feststehen (OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 104 Rn 21, Stichwort: materiell-rechtliche Einwendung m.w.N.). Solche Ausnahmen kommen jedoch gerade für den Einwand der Verwirkung nicht in Betracht. Einerseits ist die Frage der Verwirkung regelmäßig – wie auch hier – nicht unstreitig, da eine Partei, die einen Kostenfestsetzungsantrag mit zeitlicher Verzögerung stellt, hiervon absehen würde, wenn sie den Antrag selbst für verwirkt hielte. Andererseits erfordert die Prüfung der Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben in einem hohen Ausmaß Wertungen und kann deswegen grds. nicht zweifelsfrei feststehen. Während andere materiell-rechtliche Einwände, etwa der Erfüllung, mitunter leicht und zweifelsfrei festzustellen sind, ist dies für den Einwand der Verwirkung regelmäßig nicht der Fall. Eine Prüfung des Verwirkungseinwandes würde dem Kostenfestsetzungsverfahren Elemente eines Erkenntnisverfahrens verleihen, was seinem Wesen widerspricht. Der Einwand der Verwirkung kann daher grds. nicht im Kostenfestsetzungsverfahren geprüft werden, sondern muss ggf. mit einem Vollstreckungsabwehrantrag geltend gemacht werden.
Die Gegenmeinung, die ohne nähere Begründung den Einwand der Verwirkung im Kostenfestsetzungsverfahren für generell beachtlich hält (Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 104 Rn 21, Stichwort: Verwirkung; OLG Koblenz NJW-RR 2016, 1216 [= AGS 2016, 251]) überzeugt schon deshalb nicht, weil sie dem allgemein anerkannten Grundsatz der mangelnden Berücksichtigungsfähigkeit materiell-rechtlicher Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren widerspricht.
AGS, S. 429