ZPO §§ 3, 6; GKG § 48 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Zumindest in den Fällen, in welchen nur noch eine im Verhältnis zum Kaufpreis bzw. Grundstückswert geringe Restforderung streitig ist, ist der Streitwert der Auflassungsklage auf den Wert dieser Forderung zu begrenzen. Der Senat schließt sich insoweit der von verschiedenen Oberlandesgerichten vertretenen Auffassung an.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.7.2017 – 6 W 56/17
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte vom Beklagten mit notariellem Vertrag ein Hausgrundstück zum Kaufpreis i.H.v. 175.000,00 EUR gekauft. Am 10.9.2014 leistete er eine Kaufpreiszahlung i.H.v. 165.000,00 EUR. Die bereits angewiesene Restzahlung i.H.v. 10.000,00 EUR zog der Kläger im Hinblick auf zwischenzeitlich von ihm ausgemachte Feuchtigkeitsschäden im Haus wieder zurück. Die Kosten der Beseitigung der Schäden bezifferte er auf insgesamt 39.880,00 EUR.
Mit seiner Klage begehrt er in der Hauptsache neben Schadensersatz i.H.v. 29.880,00 EUR (Klageantrag Nr. 1) vom Beklagten die Abgabe einer auf Auflassung sowie Bewilligung der Eigentumseintragung gerichteten Willenserklärung (Klageantrag Nr. 2).
Das LG hat die Klage abgewiesen und den Streitwert mit Beschl. v. selben Tag auf "bis 40.000,00 EUR (Gebührenstufe)" festgesetzt.
Gegen den Streitwertbeschluss richtet sich die Beschwerde der Beklagtenvertreter aus eigenem Recht. Sie machen geltend, dass für die Bemessung des Klageantrages Nr. 2) der Wert des Eigentums (= 175.000,00 EUR) heranzuziehen sei, weil der Kläger gerade dieses Interesse am Eigentum verfolge. Hilfsweise sei zumindest ein angemessener Bruchteil des Eigentumswertes anzusetzen, jedoch nicht weniger als die Hälfte.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde, über die der Senat gem. §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 6 S. 2 GKG in der im GVG vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, ist gem. §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 RVG zulässig.
Sie ist in der Sache jedoch erfolglos.
Die Frage, ob bei Geltendmachung eines Auflassungsanspruchs grds. gem. § 6 ZPO der Verkehrswert des aufzulassenden Grundstücks zugrunde zu legen ist oder in bestimmten Ausnahmefällen gem. § 3 ZPO auf den Wert einer noch streitigen Restforderung festgesetzt werden kann, wird in Lit. und Rspr. nicht einheitlich beantwortet.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass sich der Gegenstandswert bei Klagen auf Erteilung der Auflassung auch dann nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO bestimmt, wenn die Auflassung allein wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Gegenanspruchs verweigert wird (vgl. Wöstmann, in: MüKo zur ZPO, 5. Aufl., 2016, § 3 Rn 35 m.w.N.; Herget, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn 16 "Auflassung" m.w.N.; OLG Köln v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298; OLG München v. 10.3.1997 – 28 W 2542-96, NJW-RR 1998, 142). Zur Begründung wird dafür im Wesentlichen angeführt, dass für die Anwendung von § 6 ZPO die Gewährleistung einer berechenbaren und einheitlichen Wertberechnung spreche. Auch werde dadurch dem Umstand Rechnung getragen, dass Einwendungen und Gegenrechte der Beklagtenseite bei der Wertberechnung ohne Einfluss zu bleiben haben (vgl. a.a.O.).
Für vorzugswürdig erachtet der Senat allerdings die Auffassung, wonach zumindest in den Fällen, in welchen nur noch eine im Verhältnis zum Kaufpreis bzw. zum Grundstückswert geringe Restforderung streitig ist und allein das Bestehen oder Nichtbestehen dieser Restforderung über die Erfolgsaussichten der Klage entscheidet, der Streitwert nach § 3 ZPO auf den Wert der streitigen Forderung zu begrenzen ist (so OLG Nürnberg v. 8.12.2010 – 2 W 2145/10, NJW-RR 2011, 1007; OLG Hamm v. 30.1.2013 – I-12 W 37/12, BauR 2013, 995; OLG Stuttgart v. 11.7.2017 – 6 W 56/17 u. v. 23.9.2009 – 8 W 392/09, MDR 2009, 1353 [= AGS 2009, 603]).
Das OLG Hamm (a.a.O.) hat richtigerweise darauf abgestellt, dass nur unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Aspekte bei einem starken Missverhältnis zwischen streitiger Forderung einerseits (hier: Restkaufpreis i.H.v. 10.000,00 EUR) und Gesamtkaufpreis andererseits (hier: 175.000,00 EUR) im Ergebnis dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Anspruch des Rechtssuchenden auf Zugang zu effektivem Rechtsschutz hinreichend Rechnung getragen werden kann. Bei nicht wirtschaftlicher Betrachtungsweise bestünde dagegen die Gefahr, dass wegen des in keiner wirtschaftlich vernünftigen Relation zur eigentlich streitigen Restforderung stehenden Kostenrisikos der Zugang zu effektivem Rechtsschutz faktisch erschwert würde (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; OLG Nürnberg, a.a.O.). Durch das Abstellen auf die wirklichen Interessen der Parteien und die wirtschaftlichen Hintergründe können die ansonsten untragbaren Ergebnisse einer auf den Verkehrswert des Grundstücks fixierten Streitwertbestimmung vermieden werden (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.).
Dementsprechend hat das LG – soweit es den Klageantrag Nr. 2) betrifft – zu Recht auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers abgestellt, für den Erwerb des Grundeigentums den offenen Restkaufpreis i.H.v. 10.000,00 EUR nicht mehr zahlen zu müssen. Zusammen mit dem Zahlungsantrag über 29.880,00 EUR (Klage...