RVG VV Nr. 4141
Leitsatz
Zum Entstehen der Zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV durch Rücknahme der Revision.
LG Aschaffenburg, Beschl. v. 2.5.2018 – Qs 44/18
1 Sachverhalt
Gegen das Berufungsurteil des LG hatten sowohl die Pflichtverteidigerin als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Später nahm die Pflichtverteidigerin "nach Rücksprache und ausführlicher Besprechung mit meinem Mandanten" die Revision zurück. Die Staatsanwaltschaft nahm die Revision ebenfalls zurück. Die Pflichtverteidigerin beantragte daraufhin die Festsetzung ihrer Vergütung für das Revisionsverfahren einschließlich einer Zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV. Die Vergütung wurde mit Ausnahme der Zusätzlichen Gebühr festgesetzt.
Der von der Pflichtverteidigerin hiergegen erhobenen Beschwerde hat das AG nicht abgeholfen.
2 Aus den Gründen
Die statthafte und fristgerecht eingelegte (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG) Beschwerde ist begründet.
1. Eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 4141 VV entsteht, wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme der Revision des Angeklagten erledigt. Nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 4141 VV entsteht die Gebühr nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist.
a) Die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV ist zunächst von der Verfahrensgebühr für Revisionsverfahren (Nr. 4130 VV) abzugrenzen.
Die anwaltliche Prüfung und Beratung, ob und gegebenenfalls mit welchen Anträgen eine – häufig aus Zeitgründen zunächst nur zur Fristwahrung eingelegte – Revision begründet und weiter durchgeführt oder zurückgenommen werden soll, wird bereits mit der Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV abgegolten (vgl. KG, Beschl. v. 20.1.2009 – 1 Ws 382/08 [= AGS 2009, 389]). Mit der Zusatzgebühr kann daher nur eine über diese Tätigkeit hinausgehende Tätigkeit des Verteidigers abgegolten werden. Dieser Überlegung entsprechen auch Aufbau und Wortlaut der Vorschrift der Nr. 4141 VV in den Absätzen 1 und 2.
Es ist daher davon auszugehen, dass Tätigkeiten des Verteidigers, die aufgrund der daraufhin erfolgten Rücknahme eines Rechtsmittels zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führen, gebührenrechtlich ausgeglichen werden sollen und ein solcher Ausgleich nur dann nicht erfolgen soll, wenn das Rechtsmittel ohne eine weitere Tätigkeit des Verteidigers, die über die Prüfung der Erfolgsaussichten hinausgeht (abgegolten durch Nr. 4130 VV), zurückgenommen wird.
b) Eine weitere Einschränkung der im Wortlaut der Vorschrift nicht definierten "auf die Förderung des Verfahrens gerichtete[n] Tätigkeit" sieht Anm. Abs. 2 zu Nr. 4141 VV nicht vor.
Insbesondere bedarf es nicht der Feststellung einer intensiven und zeitaufwändigen Tätigkeit des Verteidigers oder konkreter Anhaltspunkte für die Anberaumung einer Hauptverhandlung.
In der im Beschl. d. AG zitierten Rspr. des OLG Bamberg (Beschl. v. 22.3.2006 – 1 Ws 142/06), wird Folgendes ausgeführt: Die Gebühr soll intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung führen, gebührenrechtlich honorieren.
Die Begründung des Beschlusses bzw. der dort zitierte Beschl. d. KG (v. 28.6.2005 – 5 Ws 311/05 [= AGS 2005, 434]) beziehen sich auf die BT-Dr. 12/6962, S. 106. Dort wird u.a. Folgendes ausgeführt:
"Bisher bieten die Gebührenkonstruktionen im Strafverfahren eher einen Anreiz, die Verteidigungsbemühungen auf die Hauptverhandlung zu konzentrieren. Eine intensive und zeitaufwendige Mitwirkung des Rechtsanwalts im Ermittlungsverfahren, die dazu führt, dass eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, ist gebührenrechtlich wenig attraktiv. Im neuen Abs. 2, der eine andere Bestimmung i.S.v. Abs. 1, erster Hs. darstellt, wird deshalb eine gebührenrechtliche Verbesserung entsprechender Tätigkeiten des Rechtsanwalts vorgeschlagen. (…) Die vorgeschlagene Regelung soll weiter dem Phänomen entgegenwirken, dass vielfach Einsprüche gegen den Strafbefehl in der Hauptverhandlung nach Aufruf zur Sache zurückgenommen werden. Verbessert werden soll die Vergütung für denjenigen Verteidiger, dessen rechtzeitige Prüfung dazu führt, dass eine Hauptverhandlung und die damit verbundene Vorbereitung des Gerichts aber auch gegebenenfalls der Zeugen und Sachverständigen entbehrlich werden."
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 bezieht sich auf § 84 Abs. 2 BRAGO (gültig bis 30.6.2004) und die dort enthaltene Regelung zur Rücknahme des Einspruchs im Strafbefehlsverfahren. Die Gesetzesbegründung stellt auch auf eine Mitwirkung des Rechtsanwaltes im Ermittlungsverfahren ab. Diese Tätigkeit ist jedoch nicht mit der Tätigkeit des Rechtsanwaltes im Revisionsverfahren, wo vorwiegend auch Rechtsfragen zu entscheiden sind, vergleichbar. Für die Annahme, die Neuregelung in Nr. 4141 VV bezüglich der Berufung und Revision (neben der Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl) übernehme den Grundgedanken der Regelung des § 84 Abs. 2 BRAGO und erweitere ihn auf Verfahrenserledigungen, die durch Revisionsrücknahmen eintreten, finden sich weder im Normtext no...