aber die Legende lebt weiter! Im Mai 2015 hat mit Herrn Ministerialrat Klaus Otto im wahrsten Sinne des Wortes ein Lotse das Schiff des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verlassen, welches er über viele Jahre, ja über Jahrzehnte hinweg durch die Untiefen des Kostenrechts gesteuert und hierbei so manche Klippe umschifft hat.
Nach einigen Umwegen – u.a. war er 1982/1983 an der Organisation des Bundestagswahlkampfs für den ebenfalls unvergessenen Hans-Jochen Vogel beteiligt – wurde er im November 1983 Mitarbeiter im Kostenrechtsreferat des Ministeriums, dessen Leitung er 1997 übernahm, bestimmte maßgeblich das Kostenrechtsänderungsgesetz 1986 (ja, das gab es damals schon!) und entwickelte Leitlinien für strukturelle Änderungen im anwaltlichen Gebührenrecht, die als das sog. berühmt-berüchtigte "Otto-Papier" bei der Anwaltschaft wenig Begeisterung hervorrief. Dies hing insbesondere damit zusammen, dass Herrn Otto die Beweisgebühr der guten alten BRAGO buchstäblich ein Dorn im Auge war und er mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit – die in anderen Fällen der Anwaltschaft allerdings auch sehr zugute gekommen ist – die Idee weiter verfolgte, die Beweisgebühr abzuschaffen.
2004 war es dann – leider, wie viele in der Anwaltschaft heute noch anmerken – soweit und mit dem – sonst durchaus gelungenen – RVG verschwand die Honorierung für eine Tätigkeit, die viele Anwälte – sicherlich nicht ganz zu Unrecht – als besonders verantwortungsvoll, haftungsbelastet und zeitintensiv empfinden.
Die im RVG insoweit eingearbeiteten Kompensationsmöglichkeiten kommen breiten Teilen der Anwaltschaft zugute, aber eben nicht allen, sodass mit dem Namen Otto – dies kann in dieser Laudatio nicht hinweg diskutiert werden – das Dahinscheiden einer wichtigen Gebühr verbunden bleibt.
Dass der durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz eingeführte Tatbestand von Nr. 1010 VV sich als wertloser Ersatz, ja nicht einmal als Ersatz gezeigt hat, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
Umgekehrt war es Klaus Otto, der für die Rufe der Anwaltschaft nach Gebührenanpassung stets ein offenes Ohr fand und diese mit viel Sachverstand, Fleiß und Akribie gestaltete.
Es heißt, dass Otto hierbei sogar der Urheber von ca. 500 Seiten Gesetzestext im BGBl geworden sei.
Unvergessen ist jedenfalls sein höchst erfolgreicher Einsatz bei Schaffung und schneller Gesetzwerdung von § 15a RVG, der einer BGH-Rechtsprechung mit geradezu desaströsen Folgen – auch für einzelne Beteiligte eines Rechtsstreits – ein rasches Ende bereitete. Die Kunst bestand ja nicht nur darin, einen klarstellenden Gesetzestext zu formulieren, sondern diesen auch schnell und problemlos in das RVG zu implantieren. Aber auch viele andere Baustellen des RVG konnten unter Mitwirkung von Otto schnell und erfolgreich beseitigt werden.
Es zeigte sich immer wieder die Bereitschaft Ottos, für die Belange der Anwaltschaft und den Zugang des Bürgers zum Recht, das nicht an der Hürde der Kosten scheitern sollte, das bereits erwähnte offene Ohr zu haben und kritische Dinge auch von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten. Die Offenheit für neue Gesichtspunkte ermöglichte es auch, dass eher abenteuerliche Ideen wie die Änderung von § 14 RVG oder die Schaffung einer Art zweiten Geschäftsgebühr -– letztendlich auch mit seiner Zustimmung – verhindert werden konnten.
Es passt zu Otto, dass er das von ihm so erfolgreich bestellte Feld selbstverständlich nicht ohne sorgfältige Planung und insbesondere nicht ohne Benennung eines würdigen Nachfolgers verlassen hat.
Mit Herrn Andreas May darf man mit einem neuen Ansprechpartner beim BMJV rechnen, dem die Bedeutung des Kostenrechts für den Zugang der Bürger zum Recht und die berechtigten Anliegen der deutschen Anwaltschaft ebenso am Herzen liegen, wie dies bei seinem Vorgänger der Fall war.
Auch hierfür und nicht nur für sein positives Schaffen auf dem schwierigen Terrain des Kostenrechts möchte sich die "Arbeitsgemeinschaft RVG und GKG im DAV" bei Herrn Otto noch einmal ganz herzlich bedanken.
Autor: Edith Kindermann, Herbert P. Schons, Dr. Hans-Jochem Mayer, Norbert Schneider, Lotte Thiel, Udo Henke & Sabrina Reckin
AGS, S. 365