Leitsatz
- Der Antrag auf Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge im vereinfachten Sorgerechtsverfahren kann vom Elternteil allein oder aber über die Rechtsantragstelle beim AG eingereicht werden. Im Falle eines widerspruchslosen Antrags kommt deshalb die Beiordnung eines Rechtsanwalts regelmäßig nicht in Betracht.
- Etwas anderes gilt, wenn im Verlauf des Verfahrens seitens des Antragsgegners Gründe vorgetragen werden, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, oder solche Gründe sonst ersichtlich sind. Dann ist regelmäßig eine nachträgliche Beiordnung zu erwägen.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.10.2014 – 18 WF 147/14
1 Sachverhalt
Mit Beschluss des FamG wurde dem Antragsteller ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung des Rechtsanwalts jedoch abgelehnt, da der Sachverhalt nicht ungewöhnlich und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt insoweit nicht geboten sei. Dagegen hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, die jedoch keinen Erfolg hatte.
2 Aus den Gründen
Gem. § 78 Abs. 2 FamFG ist in Verfahren, in denen – wie in dem hier anhängigen vereinfachten Sorgerechtsverfahren – kein Anwaltszwang besteht, die Beiordnung eines Rechtsanwalts nur vorgesehen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
1. Die Erforderlichkeit der Beiordnung i.S.v. § 78 Abs. 2 FamFG hängt davon ab, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BGH FamRZ 2010, 1427 [= AGS 2010, 446]; BVerfG NJW 1997, 2103; NJW-RR 2007, 1713). Dies setzt eine konkrete, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des konkreten Falls orientierte Notwendigkeitsprüfung voraus (BGH FamRZ 2010, 1427; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 78 Rn 4; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 78 FamFG Rn 4). Maßgeblich sind insofern sowohl der Umfang und die Schwierigkeit der Sache als auch die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken (BVerfG NJW-RR 2007, 1713). Für ein Regel-Ausnahme-Verhältnis lässt das Kriterium der Erforderlichkeit im Hinblick auf die Vielfalt der Lebenssachverhalte keinen Raum (BGH FamRZ 2010, 1427; MüKo/Viefhues, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 78 Rn 5).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Anwaltsbeiordnung für den Antragsteller vorliegend nicht notwendig.
Das vereinfachte Sorgerechtsverfahren wird mit einem verfahrenseinleitenden Antrag eines Elternteils eröffnet. Im Antrag sind Geburtsort und Geburtsdatum des Kindes anzugeben, § 155a Abs. 1 S. 2 FamFG, damit das Gericht Feststellungen zur Zuständigkeit des für die Führung des Sorgeregisters zuständigen Jugendamts in den Fällen des § 155a Abs. 3 und Abs. 5 FamFG sowie zum Ablauf der Karenzfrist nach § 155a Abs. 2 S. 2 FamFG treffen kann (Zöller/Lorenz, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 155a FamFG Rn 3). Im Übrigen gilt die Soll-Vorschrift des § 23 Abs. 1 FamFG (Zöller/Lorenz, a.a.O., § 155a Rn 3 a.E.; Prütting/Hammer, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 155a Rn 10; a.A. MüKo/Schumann, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 155a Rn 8). Für das Verfahren gilt kein Anwaltszwang.
Der – formell und inhaltlich – einfache Antrag auf Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge kann vom Elternteil allein oder aber über die Rechtsantragstelle beim AG eingereicht werden. Im Falle eines widerspruchslosen Antrags kommt deshalb die Beiordnung eines Rechtsanwalts – gemessen an den Voraussetzungen nach § 78 Abs. 2 FamFG – regelmäßig nicht in Betracht (so auch Bruns, FamFR 2013, 217, 219). Etwas anderes gilt, wenn im Verlauf des Verfahrens seitens des Antragsgegners Gründe vorgetragen werden, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, oder solche Gründe sonst ersichtlich sind. Dann ist regelmäßig eine nachträgliche Beiordnung zu erwägen.
Im vorliegenden Fall wurde auf Antrag des Antragstellers – nachdem die Antragsgegnerin keine der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehende Gründe vorgetragen hatte – im vereinfachten Verfahren mit Beschluss des FamG die gemeinsame elterliche Sorge der beteiligten Eltern für das Kind M. eingerichtet. Insoweit ist für die Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Antragsteller kein Raum.
Unerheblich ist, ob der Antragsgegnerin ein Rechtsanwalt beigeordnet wurde. Denn an das Vorbringen der Eltern werden im vereinfachten Sorgerechtsverfahren unterschiedliche Anforderungen gestellt.
AGS, S. 410 - 411