Leitsatz
§ 33 Abs. 1 RVG ist auf außergerichtliche Vergleiche nicht anzuwenden.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.8.2015 – 12 W 10/15
1 Sachverhalt
Der Kläger begehrte mit seiner Klage die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag regelmäßig vierteljährliche Auszahlungen in Höhe von zunächst 2.930,00 EUR, ab 20.9.2016 i.H.v. 3.376,00 EUR zu leisten. Hilfsweise beantragte der Kläger die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für alle Schäden, die aus der Zeichnung des "Europlans" erwachsen seien. Der Rechtsstreit wurde – nachdem sich die Parteien außergerichtlich geeinigt haben – durch Klagerücknahme beendet. Das LG setzte den Streitwert zunächst – ausgehend von dem höheren Streitwert des Hilfsantrages – auf 130.222,26 EUR fest. Der gegen diese Wertfestsetzung gerichteten Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers half das LG nicht ab und setzte den Streitwert in Abänderung des Beschlusses ausgehend vom Hauptantrag auf 41.020,00 EUR fest. Das LG führte aus, § 45 Abs. 4 GKG sei auf außergerichtliche Vergleiche nicht anwendbar, damit sei der Wert des Hauptantrages ausschlaggebend. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Im Hinblick auf den als Feststellungsantrag gestellten Hauptantrag wurde der Streitwert des Verfahrens in der Beschwerdeinstanz auf 32.816,00 EUR festgesetzt.
Die Klägervertreter beantragen nunmehr die Festsetzung eines Wertes gem. § 33 Abs. 1 RVG für die unstreitige Erledigung des streitigen Schadensersatzanspruchs durch außergerichtlichen Vergleich. Sie tragen vor, die Parteien hätten sich außergerichtlich über sämtliche Ansprüche, auch über Schadensersatzansprüche, geeinigt. Diese beträfen nicht denselben Streitgegenstand und seien durch den mit dem Hauptantrag gestellten Erfüllungsantrag auch nicht ausgeschlossen. Die Beklagtenvertreter sind dem Antrag entgegengetreten. Das LG hat den Antrag der Klägervertreter zurückgewiesen. Für eine Streitwertfestsetzung gem. § 33 RVG sei neben der erfolgten Streitwertfestsetzung gem. § 32 RVG kein Raum. Gegen den Beschluss des LG haben diese sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG nicht abgeholfen hat. Die Klägervertreter haben weiter vorgetragen, der Vergleichswert sei nach dem Barwert der streitgegenständlichen Lebensversicherung zu bemessen. Dieser betrage 220.000,00 EUR.
Die Einzelrichterin hat das Verfahren gem. § 33 Abs. 8 S. 2 RVG dem Senat zur Entscheidung übertragen.
2 Aus den Gründen
Die nach § 68 Abs. 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Für eine Festsetzung des Gegenstands(mehr)wertes für den nach Vortrag der Klägervertreter geschlossenen außergerichtlichen Vergleich mangelt es an einer gesetzlichen Grundlage; eine solche lässt sich insbesondere aus § 33 Abs. 1 RVG nicht ableiten.
1. Bereits der Wortlaut der Vorschrift legt eine Anwendung auf außergerichtliche Vergleiche nicht nahe. Diese trifft eine Regelung für den Fall, dass sich die "Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren" nicht nach dem für die Gerichtsgebühren geltenden Wert richten oder ein solcher Wert fehlt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der außergerichtliche Vergleich gehört nicht zum gerichtlichen Verfahren, wenn dieses auch den Anlass für die Vergleichsverhandlungen und den Abschluss des privaten Vertrages gegeben haben mag (in ähnlicher Richtung OLG Koblenz FamRZ 2015, 432).
2. Auch der Zweck der Norm legt es nicht nahe, ihren Anwendungsbereich auf außergerichtliche Vergleiche auszudehnen. Will ein Rechtsanwalt seine Gebühren gegenüber seinem Mandanten geltend machen oder in dessen Auftrag die Erstattung durch einen Dritten erreichen, muss er im Regelfall Klage erheben, zu deren Begründung auch Ausführungen zum Geschäftswert zu machen und die tatsächlichen Anknüpfungstatsachen für die Wertfestsetzung gegebenenfalls zu beweisen sind. Von diesem regelmäßig gebotenen Vorgehen – das dem Rechtsanwalt ebenso wie anderen Dienstleistern, etwa Steuerberatern, eröffnet ist – macht das Gesetz insoweit eine Ausnahme, als es in gerichtlichen Verfahren vorsieht, dass das Gericht den Geschäftswert festsetzt (§ 33 RVG) und in den Verfahren nach § 11 RVG bzw. §§ 104 ff. ZPO Anwaltsgebühren gegen den Mandanten oder den Gegner festsetzt. Das beruht letztlich darauf, dass sich das Gericht im Rahmen der sachlichen Befassung mit einer Klage ohnehin mit deren Gegenstand befassen muss und daher zu einer Wert- und Kostenfestsetzung leicht in der Lage ist. Schließen die Parteien – sei es auch anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens – einen außergerichtlichen Vergleich, liegt eine vergleichbare Situation nicht vor: Das Gericht müsste sich – allein zur Wert-, Gebühren- oder Kostenfestsetzung – mit Gegenständen befassen, zu deren sachlicher Befassung der Rechtsstreit keinen Anlass gibt. Um den Wert eines außergerichtlichen Vergleichs feststellen zu können, müsste es Erhebungen darüber anstellen, welche möglichen Ansprüche zwischen den Parteien ernsthaft im Streit standen, we...