Leitsatz
- Im selbstständigen Beweisverfahren bietet die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das prozessuale Verhalten des Antragsgegners einer sinnvollen Beteiligung an dem Verfahren zur zweckentsprechenden Wahrnehmung seiner Parteiinteressen dient.
- Das ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Antragsgegner ein rechtliches Interesse daran hat, bei den Feststellungen durch einen Sachverständigen einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.
- Die Streitverkündung im selbstständigen Beweisverfahren ist grundsätzlich geeignet, die Rechtsposition des Antragsgegners zu verbessern. Auch insoweit dient die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts regelmäßig der zweckentsprechenden Wahrnehmung der Parteiinteressen des Antragsgegners.
OLG Hamm, Beschl. v. 8.5.2015 – 12 W 7/15
1 Sachverhalt
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung in einem selbstständigen Beweisverfahren, in welchem er wegen behaupteter Mängel der von ihm durchgeführten Parkettlegearbeiten in Anspruch genommen wird. In diesem Verfahren hat er sich von Beginn an von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Nachdem das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen, welcher Mängel des von dem Antragsteller verlegten Oberbodens festgestellt hat, eingegangen ist, hat der Antragsteller einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Acht Tage später hat er seinem Lieferanten des Parkettbodens den Streit verkündet.
Das Gutachten selbst wird hinsichtlich der festgestellten Mängel von keinem Beteiligten angegriffen, jedoch haben die Antragsteller des selbstständigen Beweisverfahrens ergänzende Fragen zu den Kosten und dem Aufwand der Mängelbeseitigung. Hierzu soll der Sachverständige nach dem weiteren Beweisbeschluss des LG Stellung nehmen.
Das LG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und hierzu ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete wegen der von dem Sachverständigen festgestellten Mängel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, im Hinblick auf die erforderlichen Arbeiten und Kosten sei dargelegt, dass wenige Holzunregelmäßigkeiten festzustellen waren und das Gutachten auch nur von vereinzelt leichten Faseraufbrüchen spreche.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an das LG. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe darf nicht wegen der mangelnden Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Antragstellers zurückgewiesen werden.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist auch für den Antragsgegner im selbstständigen Beweisverfahren möglich (Musielak/Voit-Fischer, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 114 Rn 8 m.w.N.). Dies gebietet schon der Grundsatz der Chancengleichheit.
Die Eigenart und die inhaltliche Bedeutung des selbstständigen Beweisverfahrens für die beteiligten Parteien zwingt zu einer einschränkenden Interpretation des Begriffes der erfolgversprechenden Rechtsverteidigung, wie § 114 ZPO ihn versteht. Diese kann in Anlehnung an das Erfordernis einer berechtigten Interessenverfolgung auf Antragstellerseite nur in einer berechtigten Interessenverteidigung des Antragsgegners bestehen (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 30.4.2003 – 4 W 58/03). Der Antragsgegner des Verfahrens kann – ob er dem (zulässigen) Antrag des Antragstellers widerspricht oder ob er ihm zustimmt – die Durchführung des Verfahrens nicht vermeiden. Er wird, auch wenn er sich nicht wehren will, in das Verfahren hineingezogen. Angesichts der Notwendigkeit, das rechtliche Gehör des Antragsgegners zu sichern und ihm die Wahrung seiner Rechte zu ermöglichen, muss es deshalb für die Bejahung der Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung ausreichen, wenn das prozessuale Verhalten des Antragsgegners einer sinnvollen Beteiligung an dem Verfahren zur zweckentsprechenden Wahrnehmung seiner Parteiinteressen dient (OLG Celle, Beschl. v. 4.10.2000 – 13 W 62/00; Musielak/Voit-Fischer, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 114 ZPO Rn 8).
Eine so verstandene Rechtsverteidigung ist daher zumindest dann hinreichend erfolgversprechend, wenn der Antragsgegner ein rechtliches Interesse daran hat, bei den Feststellungen durch einen Sachverständigen einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (so OLG Celle, Beschl. v. 4.10.2000 – 13 W 62/00; Musielak/Voit-Fischer, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 114 ZPO Rn 8) bzw. wenn eine Anwaltsbeiordnung nach § 121 Abs. 1 oder 2 ZPO angezeigt ist (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 30.4.2003 – 4 W 58/03 m.w.N.).
Nichts anderes gilt in dem hier vorliegenden Fall, in welchem der Antragsgegner des selbstständigen Beweisverfahrens seine Rechte gegen seinen Lieferanten im Wege der Streitverkündung zu wahren sucht. Die Streitverkündung ist, obwohl sie erst nach Eingang des Gutachtens erfolgt ist, geeignet, die Rechtsposition des Beklagten in einem eventuellen Folgeprozess gegen seinen Lieferanten zu verbessern. Die Möglichkeit der Streitverkündung und die dafür einzuhaltenden Formvorschriften ...