1.

Der Rechtspfleger legt zwar bei Erteilung eines Beratungshilfe-Berechtigungsscheines (§ 6 Abs. 1 BerHG) bzw. bei der nachträglichen Bewilligung (§ 6 Abs. 2 BerHG) fest, für welche Angelegenheit die Beratungshilfe gewährt wird. Allerdings obliegt die Bewertung der im Berechtigungsschein als solche bezeichneten Angelegenheiten in gebührenrechtlicher Hinsicht nicht dem Rechtspfleger im Bewilligungsverfahren, sondern ist allein der späteren Beurteilung durch den Urkundsbeamten im anschließenden Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 55 RVG vorbehalten. Dieser allein entscheidet, wie viele gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.v. §§ 15 ff. RVG Ausfluss der Bewilligung sind. Die Anzahl der zu vergütenden Angelegenheiten wird dem Urkundsbeamten damit insbesondere nicht durch die Zahl der erteilten Berechtigungsscheine vorgegeben. Das OLG Brandenburg hat sich der zutreffenden h.M. angeschlossen.[1]

Einem Berechtigungsschein können daher mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten, mehreren Berechtigungsscheinen kann dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit zugrunde liegen. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob im Berechtigungsschein der Begriff der Angelegenheit lediglich im Singular verwendet worden ist.[2]

2.

Die Frage, ob eine Angelegenheit oder ob mehrere Angelegenheiten vorliegen, ist auch im Rahmen der Beratungshilfe nach §§ 15 ff. RVG zu beurteilen.[3] Allerdings definiert das RVG den Begriff der Angelegenheit nicht. Nach der Rspr. des BGH[4] ergeben sich folgende Grundsätze zur gebührenrechtlichen Angelegenheit, die auch für das Beratungshilfemandat zu beachten sind: Unter derselben Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen.

Es ist also auch bei der Beratungshilfe zu prüfen, ob

  ein einheitlicher, nicht notwendig zeitgleicher Auftrag vorliegt,
  ein gleichartiger Rahmen der Tätigkeit (z.B.: gleiches Verfahren, Bearbeitung in einem Schreiben an den Gegner möglich) gegeben ist, und
  ein innerer Zusammenhang, d.h. eine innere Zusammengehörigkeit der Gegenstände besteht.

Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grds. ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können.

Ein innerer Zusammenhang liegt vor, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören.[5]

3.

Die Frage, ob dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegt oder ob mehrere Angelegenheiten betroffen sind, wird im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 55 RVG durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle geprüft.[6] Weder die Entscheidung(en) über die Bewilligung von Beratungshilfe noch die Anzahl erteilter Beratungshilfescheine entfalten eine Bindungswirkung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren für die Prüfung der Anzahl der zu vergütenden Angelegenheiten.[7]

Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert

AGS, S. 420 - 424

[1] OLG Köln, Beschl. v. 4.1.2010 – I-17 WF 342/09; Beschl. v. 9.2.2009 – 16 Wx 252/08; OLG München, Beschl. v. 13.1.2014 – 11 WF 1863/13; OLG Dresden AGS 2011, 138 = RVGreport 2011, 219; KG AGS 2010, 612; LG Düsseldorf RVGreport 2007, 97 = FamRZ 2007, 1113; LG Münster Rpfleger 2000, 281; LG Bonn JurBüro 1985, 713; LG Aachen Rpfleger 1985, 492; LG Dortmund JurBüro 1985, 1034; LG Kleve Rpfleger 2003, 303; LG Wuppertal JurBüro 1985, 1426; LG Detmold Rpfleger 1992, 205; AG Pforzheim, Beschl. v. 25.5.2018 – 213 BHG 38/17; a.A. OLG Oldenburg, Beschl. v. 4.1.2010 – 12 W 190/09; a.A. LG Köln JurBüro 1985, 1423; LG Mönchengladbach Rpfleger 2002, 463 = JurBüro 2002, 421.
[2] LG Düsseldorf AGS 2007, 147 = RVGreport 2007, 97.
[3] OLG Hamm FamFR 2011, 377 = FamRZ 2011, 1685.
[6] AnwK-RVG/Volpert, 8. Aufl., § 55 Rn 88.
[7] OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.2016 – 20 W 195/15; OLG Naumburg, Beschl. v. 28.3.2013 – 2 W 25/13 = AGS 2013, 353; OLG Köln AGS 2009, 422; OLG Dresden AGS 2011, 138.

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