ZPO § 890; RVG §§ 33, 25 Nr. 3
Leitsatz
- Besteht für die Gerichtsgebühren eine Festgebühr, ist auf Antrag der Wert der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen (§ 33 RVG). Für die Beschwerde hiergegen gilt die Vorschrift des § 33 Abs. 1 RVG.
- Der Wert des Vollstreckungsverfahren nach § 890 ZPO ist im Allgemeinen mit einem Bruchteil des Ausgangsstreitwerts im Erkenntnisverfahren zu bemessen. Gibt der Gläubiger für das Vollstreckungsverfahren einen Wert an, der deutlich über dem Wert des Erkenntnisverfahrens liegt, kommt dem grundsätzlich keine indizielle Bedeutung für das mit dem Vollstreckungsverfahren verfolgte Interesse zu; jedoch bilden etwaige Angaben des Vollstreckungsgläubigers zur (Mindest-)Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes die untere Grenze für den Wert des Vollstreckungsverfahrens (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.7.2019 – 6 W 46/19
1 Sachverhalt
Der Antragsteller hat auf Grundlage einer einstweiligen Verfügung, deren Wert mit 20.000,00 EUR festgesetzt wurde, einen Ordnungsmittelantrag gestellt, dessen Wert er mit Antragstellung mit 30.000,00 EUR angegeben hat. Im späteren Verlauf des Verfahrens hat er weitere Verstöße eingeführt und zugleich angegeben, die insgesamt verfahrensgegenständlichen Verstöße rechtfertigten ein Ordnungsgeld i.H.v. 27.000,00 EUR.
Nachdem die Parteien in einem Vergleich u.a. auch das Ordnungsmittelverfahren dahingehend abgegolten haben, dass die Antragsgegnerin einen Betrag von 10.000,00 EUR an gemeinnützige Organisationen zahlt, hat das LG den Streitwert des Ordnungsmittelverfahrens auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der eine Festsetzung auf 67.000,00 EUR (Wert des abgeschlossenen Vergleichs) begehrt. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Gebührenstreitwert ist auf 27.000,00 EUR festzusetzen.
1.) Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG zulässig; die Beschwerdefrist nach § 33 Abs. 3 RVG ist gewahrt.
a) Das LG hat in der Sache nicht den Gebührenstreitwert nach § 63 Abs. 2 S. 1 GKG, sondern den Wert der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 RVG festgesetzt.
Nach § 63 Abs. 2 S. 1 GKG setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gerichtsgebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Voraussetzung für die Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 S. 1 GKG ist, dass die in Betracht kommende (Gerichts-)Gebühr nach dem Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) überhaupt von einem Kostenstreitwert abhängt (vgl. § 63 Abs. 1 S. 1 GKG: "Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten"; vgl. Hartmann, KostG, 46. Aufl. 2016, § 63 Rn 8, 16). Daran fehlt es im vorliegenden Verfahren, weil hinsichtlich des Ordnungsmittelverfahrens nach Nr. 2111 GKG-KostVerz. (nur) eine Festgebühr i.H.v. 20,00 EUR anfällt (vgl. VGH München Beschl. v. 4.11.2016 – 9 C 16.1684, BeckRS 2016, 54919 [= AGS 2017, 139])
Hier ist jedoch davon auszugehen, dass das LG trotz der missverständlichen Formulierung als "Gebührenstreitwert" tatsächlich den Wert der anwaltlichen Tätigkeit festsetzen wollte. Hierfür spricht insbesondere der Verweis auf § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG.
b) I.Ü. wäre auch für den Fall, dass das LG tatsächlich den Gebührenstreitwert festsetzen wollte, die Beschwerde nach 68 Abs. 1 GKG zulässig. Soweit vertreten wird, es fehle an einer Beschwer, da nur die Gerichtsgebühren (fehlerhaft) und die Anwaltsgebühren nicht festgesetzt worden seien, wird durch den Beschluss jedenfalls der Rechtsschein gesetzt, dass der Gebührenstreitwert für die Rechtsanwaltsgebühren bindend ist.
c) Schließlich ist auch der Beschwerdewert von 200,00 EUR (§ 33 Abs. 2 S. 1 RVG) erreicht. Der Antragsteller ist auf Grundlage des festgesetzten Streitwertes i.H.v. 348,75 EUR beschwert (Differenz der entstandenen Rechtsanwaltsgebühren aus 10.000,00 EUR bzw. 67.000,00 EUR).
2.) In der Sache hat die Beschwerde nur teilweise Erfolg. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers im Ordnungsmittelverfahren beträgt 27.000,00 EUR.
a) Der Streitwert eines Vollstreckungsverfahrens nach § 890 ZPO richtet sich nach dem Interesse, das der Unterlassungsgläubiger an der Einhaltung des ausgesprochenen Verbots hat. Nach der ständigen Praxis des erkennenden Senats bleibt dieses Interesse regelmäßig hinter dem Streitwert des zum Erlass des Titels führenden Erkenntnisverfahrens zurück. Denn die Erwirkung eines gerichtlichen Verbots ist die dauerhafte Grundlage für die Durchsetzung eines Unterlassungsbegehrens und daher für den Unterlassungsgläubiger von höherer Bedeutung als die Sanktionierung einzelner Verstöße gegen dieses Verbot. Der Streitwert eines Vollstreckungsverfahrens ist daher im Allgemeinen mit einem Bruchteil des Ausgangsstreitwerts zu bemessen (vgl. Senat GRUR 2019, 216 – Lagerräumung, Rn 3; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 12 Rn 5.15 m.w...